Dass Kunst verbindet, wissen Helmuth Stöber und sein Team von VOI fesch ganz genau. Die Inklusionsagentur mit Sitz in Wien arbeitet seit Jahren daran, die Kunst von Menschen mit Behinderungen sichtbar zu machen und so auch den Künstler:innen eine Bühne zu schaffen. Als „Leinwand“ dienten hier schon kleinste Flächen vom Müsliriegel bis hin zu Skigondeln und ganzen LKW-Planen. Für werbende Unternehmen sind die individuellen Auftragsarbeiten dabei ebenso eine Bereicherung wie für die Menschen, die so ihrem Herzenswunsch nachgehen können: Designs zu kreieren, in die Welt zu tragen und damit Vorurteile abzubauen.

Künstler Florin Asei bei der Arbeit. Er hat u.a. das Motiv für die individuellen Socken entworfen, die neben ihrem fröhlichen Design auch in puncto Nachhaltigkeit überzeugen: Für die Herstellung wird recyceltes Polyester verwendet, die Verpackung ist kompostierbar.

„Man müsste die Barrieren in den Köpfen durchbrechen und einfach miteinander in Kontakt treten“, dachte sich Helmuth Stöber, als er vor fast zehn Jahren das erste Mal als Erwachsenenvertreter mit Menschen mit Behinderung arbeitete. In seiner damaligen Tätigkeit besuchte der heutige Geschäftsführer von VOI fesch soziale Werkstätten und war fasziniert, so viel geballtes künstlerisches Talent an einem Ort zu treffen. Talent, das viel zu oft schlicht unentdeckt bleibt. Kunst, die kein großes Publikum findet. Mit dem festen Entschluss, diese Umstände zu ändern und Künstler:innen mit Behinderung zu fördern, gründete Stöber mit Gleichgesinnten in 2016 den „Verein für originelle Inklusion“, kurz VOI – die Geburtsstunde des späteren Social Business VOI fesch. Der Faktor „fesch“ kam mit der Überlegung hinzu, die Kunst auf Shirts umzusetzen und so buchstäblich in die Welt zu tragen.

Für Canon setzte VOI fesch Seifen der Wiener Herstellerin HautSinn CI-gerecht um – mit einem Design des Künstlers David Cheng auf der Verpackung.

Ein Fernsehauftritt im Start-up-Format 2 Minuten 2 Millionen, dem österreichischen Pendant zu Die Höhle der Löwen, in 2017 bringt mehr Aufmerksamkeit und den ersten größeren Auftrag: die individuelle Gestaltung von Müsliriegelverpackungen mit einer Auflage von 50.000 Stück. Parallel entstand die Idee, gemeinsam mit Sponsoren einen Kunstpreis auszuloben und die Gewinnerarbeiten ins Rampenlicht zu rücken – erstplatzierte Kunstwerke werden in Kooperation mit regionalen Tourismusverbänden, Hoteliers und Speditionen z.B. auf LKW und Skigondeln umgesetzt und einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. So lassen sich Sympathien schaffen, und die beteiligten Unternehmen und Organisationen kommen mit dem Thema in Berührung. Dazu Stöber: „In enger, partnerschaftlicher Zusammenarbeit sind hier über die Jahre schon tolle Projekte entstanden, die letztlich für alle eine Win-Win-Situation darstellen – Unternehmen zeigen ihre menschliche Seite, kommunizieren mit Bewusstsein und Sympathiefaktor, und die Künstler:innen erhalten Anerkennung und eine Plattform für ihre Werke“.

Sozial, regional, genial

Die Wiener Künstlerin Iris Kopera erstellt Zeichnungen und Aquarelle, gern mit besonderer Botschaft. Hier ist sie mit einem Notizbuch in ihrem Design Fantastisch zu sehen.

Wie gut sich Produkte als Plattform eignen, zeigen die vielen folgenden Gestaltungen, sowohl für Privatpersonen als auch für werbende Unternehmen. VOI fesch bietet eine Auswahl attraktiver Designs, die neben T-Shirts auf beliebten Merchandising- und Werbeartikeln wie Taschen, Socken, Notizbüchern oder Tassen realisiert werden. Dazu kommen Druckprodukte wie Weihnachtskarten, Etiketten und Verpackungen bis hin zu ausgefallen Botschaftern wie handgeschöpfte Seifen von der Wiener Herstellerin HautSinn. Entscheidend für Stöber: „Wir arbeiten mit regionalen Partnern wie dem Wiener Druckdienstleister Merchzilla oder den Geschützten Werkstätten Salzburg zusammen, aber auch mit größeren Herstellern wie Mahlwerck und Promonotes – immer mit dem Ziel, möglichst nachhaltige Werbebotschafter anzubieten. Zertifikate wie GOTS oder FSC gehören für die glaubwürdige Kommunikation ebenso dazu wie die sozialverträgliche Fertigung.“

Wer seine eigenen Lieferantenpartner bevorzugt, kann auch nur das Design entwerfen lassen. Ob Werbetasse oder Baumwolltasche, ob über VOI fesch oder in eigener Umsetzung – ein Künstler:innenporträt ist immer Teil des Endprodukts, wie Stöber betont: „Bei jedem Produkt ist eine Art Steckbrief beigefügt, der den Künstler oder die Künstlerin hinter dem Design kurz vorstellt und so die Person in den Vordergrund rückt. Nicht die Behinderung, sondern die Begabung zählt – alles andere wäre einfach aus der Zeit gefallen.“

Auffällig in der Zusammenarbeit mit werbenden Unternehmen: Die Kreation der Werbebotschafter geschieht meist anlassbezogen und komplett individuell, seltener wird u.a. bei Weihnachtskarten auf bestehende Motive aus dem breiten Designportfolio zurückgegriffen. Hierfür gibt VOI fesch im Ausschreibungsformat Unternehmensanfragen z.B. nach einem Design zum Thema Fußball oder Sommerfest an die Künstler:innen weiter, bei denen auch Logos und CI-Farben berücksichtigt werden können. Für die Umsetzung ist ein Zeitrahmen von etwa einem Monat vorgesehen.

Zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März 2024 veranstaltete VOI fesch gemeinsam mit dem inklusiven Tanzverein Ich bin O.K. eine Modenschau im Westfield Shoppingcenter in Wien.

Aus den entstandenen Designs wählt das Unternehmen das passende, einzigartige Motiv zum Markenauftritt, und VOI fesch setzt den Entwurf mit ausgewählten Lieferanten um. Allein durch die Farbwelten der Unternehmen und die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen der Künstlerinnen und Künstler entstehen so jedes Mal neue, komplett einzigartige Produkte. Zu den Auftragsgebern gehören inzwischen auch große österreichische oder auch internationale Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden wie Canon, Cargo-Partner oder Pankl Racing.

Netzwerke bilden

Auch auf Etiketten kommen die künstlerischen Designs von VOI fesch gut an – hier auf dem regionalen Natur-Eistee von Marry.

Über den Kunstpreis lässt sich in den Anfangsjahren viel Aufmerksamkeit generieren. Stöber und das VOI fesch-Team treffen Künstler:innen aus verschiedenen Werkstätten oder lernen sich bei Events kennen. Von Anfang an mit ihrer Kunst vertreten sind z.B. die Künstlerin Patricia Hütter und die Künstler David Cheng und Albert Masser. Das Netzwerken mit Kunstschaffenden steht auch weiterhin im Fokus – zuletzt traf sich das Team z.B. zum Welt-Down-Syndrom-Tag mit Kollektiven aus Wien und Südtirol. Auch deutsche Kunstschaffende arbeiten inzwischen mit VOI fesch, und die Kreise erweitern sich stetig. „Wir haben ein großes Interesse daran, neue Künstler:innen kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten. Mit einem breiteren Netzwerk Kunstschaffender lassen sich Anfragen von Unternehmen nach inklusiven Designs leichter umsetzen. Jede:r hat seinen eigenen Stil und widmet sich anderen Themenbereichen, die sich so breitgefächerter abdecken lassen. Unternehmen und Künstler:in müssen vom Stil zueinander passen“, so Stöber.

Dass „sich alles gut ausgeht“, wie es in Österreich so schön heißt, zeigt die positive Resonanz auf die Werbeträger, die als physische Verbindung zu den Kunstschaffenden das mit Vorurteilen und einer gewissen Schwere behaftete Thema Behinderung begreifbarer und einfacher zugänglich gestalten.

Das Feedback zu den Produktumsetzungen, aber auch zu von VOI fesch begleiteten Events bewegte die Wiener dazu, sich als Inklusionsagentur am Markt zu positionieren – seit Mai 2024 firmiert das Sozialunternehmen offiziell als Agentur, auch mit neuem Webauftritt. Um originelle Ideen zum Thema Inklusion mit Unternehmen zu realisieren, deckt VOI fesch vier Themenschwerpunkte ab: individuell gestaltete Präsente mit sozialem Mehrwert, Designumsetzungen für Unternehmen, Unterstützung in der Unternehmenskommunikation bei Inklusionsthemen sowie die inklusive Eventgestaltung.

Berührungspunkte schaffen

Zum ersten Kunstpreis in 2018 gab es Motive in deutlich kleinerem Format, dafür in großer Auflage: 50.000 Müsliriegel wurden individuell gestaltet.

Für die Planung, Begleitung und Gestaltung individueller, inklusiver Events hat das Team von VOI fesch seit Anfangstagen viel Erfahrung gesammelt und blickt bereits auf viele Veranstaltungen u.a. mit der inklusiven Tanzgruppe Ich bin O.K. zurück, die auf gemeinsam organisierten Modenschauen die ersten T-Shirt-Motive präsentierten. Zuletzt hat die Agentur auch große (Branchen-)Events wie die HR Award Gala oder die EY Gala zu den Entrepreneur of the Year Awards 2024 begleitet.

Neben möglichem Bühnenprogramm mit Tanz bedeutet die Eventgestaltung auch u.a. die Umsetzung inklusiver Präsente für Besuchende wie einer individuellen Handseife von HautSinn für die EY Gala. Zudem begleiten die Kunstschaffenden die Veranstaltungen und bieten die Möglichkeit, sich vor Ort über ihre Kunst auszutauschen. So schafft VOI fesch aktiv Berührungspunkte mit den Künstler:innen, um vor Ort durch die Begegnung Kommunikation auf Augenhöhe zu erreichen, mit Akzeptanz statt Mitleid Barrieren abzubauen und einen niederschwelligen Zugang zum Thema zu bieten. „Sowohl bei den Gala-Events als auch als Ausstellerin bei der marke[ding]-Messe fiel die Resonanz der Besuchenden sehr gut aus“, berichtet Stöber. „Anhand der Reaktionen haben wir festgestellt, dass das Thema Nachhaltigkeit auch im Sozialen vom Megatrend zum Standard avanciert ist. Zum Storytelling großer wie kleiner Unternehmen gehören Vielfalt und Inklusion inzwischen dazu.“

Mit ihrem reichen Erfahrungsschatz und breitem Aufgabenspektrum als Agentur hilft VOI fesch werbenden Unternehmen, etwas Sinnstiftendes umzusetzen und sorgt auch mit der Kommunikation rund um die Case oder das Event für mehr Sichtbarkeit für die Aktion und die Künstler:innen – ein klarer Mehrwert für beide Seiten. Firmen und Marken können sich mit dem nachhaltigen Content positiv positionieren und helfen zugleich den Kunstschaffenden.

Für den gemeinsam mit Sponsoren ausgerichteten Kunstpreis realisiert VOI fesch Motive der Künstler:innen auch großformatig – hier in 2020 mit Künstler WolfGeorg vor seinem selbst gestalteten Kunst-LKW mit dem Werk Warrior Cats.

„Ein nächstes großes Projekt wird die Begleitung des Diversity Balls in Wien, für den wir mit der deutschen Künstlerin Sabine Tollkühn-Klein nicht nur die bunten Plakate gestaltet haben – der Entwurf gefiel so gut, dass direkt das Logo der Veranstaltung passend zum Design geändert wurde“, erzählt Stöber stolz. So wird die Welt wieder etwas bunter, und eine weitere Künstlerin steht im wohlverdienten Rampenlicht.

// Claudia Pfeifer 

www.voifesch.com

Bildquelle: bildBalance; Canon; Dragan Dok; Philipp Schuster; Picasa; VOI fesch