Bettzeug von Star Wars, Batman-Shirt oder doch lieber Sneakers von Paw Patrol? Die Fülle an Lizenzprodukten wächst stetig, und fast jedes Markenuniversum bietet mittlerweile ein breites Spektrum an Produkten für Fans jeglicher Couleur. Über diesen Markt sprachen wir mit Eva Stemmer, CEO der BRANDmate, einem Licensing-Event, das sich auf die Fahne geschrieben hat, dem Lizenzmarkt in Deutschland einen Ort zum Austausch zu geben. Im Interview mit dem HAPTICA® Magazin erklärt Stemmer das Lizenzgeschäft und die Vorteile von Markenkooperationen, zeigt die Bedeutung von Fandom für Marken und illustriert den Unterschied zwischen einem Aldi- und einem Gucci-Handtuch.
Sie sind die Initiatorin der BRANDmate, die Sie als „B2B-Networking-Event für Kooperationen, Partnerschaften und Licensing“ verstehen. Können Sie den Markt, um den es bei der BRANDmate geht, genauer beschreiben? Wie funktioniert das Geschäft mit Lizenzen?
Es geht um IP, also um Intellectual Property. Es dreht sich alles um die Marken an sich.
Die IP-Owner suchen Unternehmen, die ihre Marke, z.B. Batman, mit haptischen oder digitalen Produkten in das Leben von Fans bringen. Für die Lizenzgeber sind die Produkte eine Erweiterung ihrer Marken. Die Lizenznehmer wiederum möchten mit der Nutzung dieser Marken Umsätze generieren, die sie mit ihren generischen Produkten vielleicht nicht erzielen. Es geht um die Abgrenzung zu Mitbewerbern, wenn man exklusive Produkte hat, mit denen man neue Zielgruppen erreicht.
Wenn ein Batman-Motiv auf Socken angebracht ist, entscheiden sich ein Käufer, der Batman-Fan ist, für diese Socken. Ansonsten hätte er vielleicht ein anderes Paar gekauft. Oder nehmen wir an, jemand will sich einen Koffer kaufen und achtet auf gute Qualität. Wenn aber drei Koffer mit ähnlicher Qualität und ähnlichem Preis zur Auswahl stehen, und einer davon hat eine Lizenz, die der Kunde cool findet, dann nimmt er auf jeden Fall diesen. Kunden kaufen Lizenzprodukte, weil sie Fans sind und sie die Chance haben, dadurch ein individuelleres Produkt zu bekommen.
Für Lizenznehmer bedeutet das einen zusätzlichen Umsatz. Es gibt Unternehmen, die produzieren ausschließlich Lizenzprodukte, aber das ist selten. Die meisten haben eigene Marken, die sie mit Lizenzprodukten toppen.
Laut den aktuellsten Zahlen lag 2022 der weltweite Umsatz mit Lizenzprodukten bei 340,8 Mrd. US-Dollar. Das waren 8% mehr als im Vorjahr. In Westeuropa betrug der Umsatz 62,9 Mrd. und allein in Deutschland 13 Mrd. US-Dollar.
Was sind die Vorteile und Synergieeffekte, die Markenkooperationen durch die Verwendung von Lizenzen generieren können?
Ich denke, die Synergieeffekte sind beidseitig. Es gibt eine Zielgruppenerweiterung und eine erhöhte Brand-Awareness für die beteiligten Marken. Das resultiert im besten Fall für beide Seiten in einer Umsatzsteigerung.
Kooperationen können auch zur Kompetenzerweiterung genutzt werden. Wenn z.B. die Modemarke Esprit, die unter anderem Babykleidung verkauft, auch einen passenden Kinderwagen anbieten will, ist das ein Problem. Sie haben nicht die erforderliche Kompetenz und das Wissen, um einen eignen Kinderwagen auf den Markt zu bringen. Also suchen sie sich einen Partner, der Kinderwägen produziert. So können sie einen Kinderwagen mit Esprit-Branding in ihr Produktportfolio aufnehmen, ohne ihn selbstständig herstellen zu müssen.
Das kann auch neue Absatzkanäle erschließen. In dem Beispiel würde die Modemarke über den Kinderwagenhersteller leichter in den Baby-Fachhandel kommen. Das könnte man als Diversifikation beschreiben. Die Marke wird über verschiedene Kanäle gestreut.
Warum sind bei Fans gerade haptische Produkte so beliebt? Was ist das Besondere daran, wenn sich Batman, Donald Duck oder Harry Potter quasi in physischen Gegenständen materialisieren?
Durch haptische Produkte kann die Figur ins eigene Zuhause geholt werden. Damit integriert man die Marke und das, wofür sie steht, ins eigene Leben. Es geht um Lifestyle.
Ich habe daheim einen Bademantel mit Baby Yoda, und ich würde sonst nie einen Bademantel kaufen. Das ist nicht mein Produkt, aber ich mag Baby Yoda und so finde ich es endcool und hole es mir trotzdem. Ich habe auch ein Handtuch von Hello Kitty. Da hätte ich auch ein anderes Handtuch nehmen können, aber es hat mich gecatcht, weil ich Hello Kitty witzig finde. Und ich habe eine Tasse von Oak Island, das ist klassischer Merch. Ich liebe diese Serie und freue mich jedes Mal, wenn ich aus der Tasse trinke.
Mit diesen Produkten habe ich die Marken zu Hause oder im Büro, und so entstehen emotionale Momente in meinem alltäglichen Umfeld, in denen die Werte, die ich mit diesen Marken verbinde, zum Ausdruck kommen.
Gibt es da einen Unterschied zwischen den Produkten, oder ist es egal, ob es sich um Socken, Handtuch oder Tasse handelt?
Das Produkt muss zur Marke, aber auch zur Zielgruppe passen. Natürlich kann man auf eine Tasse einfach eine Micky Maus drucken. Die wird bestimmt von Fans gekauft. Cooler wäre es aber, wenn die Tasse Micky-Maus-Ohren hätte. Wenn das Produkt etwas Besonderes ist, einen Gag hat oder sich mit ihm eine Story erzählen lässt, dann funktioniert es wunderbar.
Eine Kooperation ist in meinen Augen nur dann erfolgreich, wenn alle etwas davon haben. Das muss matchen – die Firmen, die Werte, das Produkt. Man kann sich bewusst neue Bereiche erschließen, wo das vielleicht weniger passt, sofern da eine gute Story hinter steht. Aber ich halte es für einen großen Fehler, wenn Marken einfach irgendwo draufgeklatscht werden. Es braucht eine Strategie mit einer kurz-, mittel- und langfristigen Planung. Wenn ein Unternehmen seine Marke jedem verkauft und das Produkt dann Ramsch ist, kann das eine Marke schnell kaputt machen oder zumindest schädigen. Es ist die Aufgabe der IP-Owner darauf zu achten, dass das nicht passiert.
Die IP-Owner schauen sich natürlich auch an, wer die Zielgruppe ist. Gerade, wenn es um Kinder geht, muss man darauf achten. Paw Patrol-Wodka wird es nicht auf dem Markt geben. Das passt einfach nicht.
Es gibt aber durchaus Kindermarken, die einen gewissen Kultcharakter und auch viele erwachsene Fans haben, z.B. Die Sendung mit der Maus. Die Kernzielgruppe sind Kinder, aber man könnte gezielt eine Edition rausbringen, die sich an Erwachsene richtet.
Das Thema „Kidults“ war auf der diesjährigen Spielwarenmesse ein großes Thema, das immer wichtiger wird für die Spielwarenbranche, weil jüngere Zielgruppen wegbrechen, da sie schon früh von Spielzeug auf digitale Spiele umsteigen. Lässt sich mit Fandom der Absatz sicherstellen und neue Zielgruppen erschließen?
Bei der Popularität bestimmter Lizenzen ist eine Wellenform zu beobachten. Alle 25 bis 30 Jahre kommen sie wieder. Nehmen wir z. B. Janosch: Die Kinder, die mit Janosch aufgewachsen sind, wollen, wenn sie selber Eltern sind, ihren Kindern das gleiche positive Gefühl vermitteln. Sie neigen dann dazu, ihren Kindern eine Tigerente oder andere Janosch-Produkte zu holen.
Mit der 80er-Nostalgie liegen die Masters of the Universe wieder im Trend, und ich z.B. habe mir überlegt, ob ich mir die Skeletor- oder He-Man-Sneakers holen soll. Was man anhat oder was man zu Hause hat, ist ein Statement. Menschen drücken ihre Individualität damit aus. Ich habe Bekannte, die sich jetzt die E-Gitarre, das coole Skateboard-Deck oder sonstige Sachen kaufen, die sie sich damals nicht leisten konnten. So ist das auch mit Lizenzen und IPs, die man früher geil fand. Es gibt natürlich Marken, die sind immer Kult und solchen Schwankungen weniger ausgesetzt.
Der Spielwarenhersteller Klein bietet 1:1-Nachbildungen von Bosch-Bohrmaschinen, -Kreissägen usw. an. Das funktioniert genau umgekehrt: Eine IP mit Erwachsenprodukten für Kinder. Sie haben dafür eine exklusive Lizenz von Bosch. Kinder, die damit spielen, benutzen als Erwachsener wahrscheinlich auch eher Bosch-Werkzeuge – und kaufen ihren Kindern dann wieder die Spielwerkzeuge mit Bosch-Lizenz.
Diese Produkte funktionieren sehr gut, weil Kinder durch Nachahmen lernen. Sie wollen alles exakt genauso machen, wie die Eltern – am liebsten mit den gleichen Produkten, wie es die Eltern auch machen. Deshalb gibt es da neben Bosch von unterschiedlichen Spielwarenherstellern auch Dyson-Staubsauger und Stihl-Kettensägen als Spielzeug.
Natürlich kaufen Menschen die Marken, die ihnen schon lange vertraut sind, die sie aus der Kindheit kennen und mit denen sie ein gutes Gefühl verbinden. Das funktioniert – obwohl ich nicht weiß, ob das eine gezielte Strategie ist, um die Kleinen zu Bosch-Fans zu machen. Aber natürlich wird da ein Samen gesät.
Ein weiterer Trend, den wir beobachten können, ist, dass immer mehr Firmen, die nicht unbedingt für ihr ausgeprägtes Fandom bekannt sind, Merchandising-Kollektion aufbauen, das reicht von Aldi über DHL bis zum Landmaschinenhersteller Fendt. Welche Möglichkeiten gibt es, über Merch Fandom zu kultivieren?
„Kultivieren“ ist genau das richtige Wort. Ich glaube nicht, dass man ein Fandom einfach so aufbauen kann, aber kultivieren und ausbauen, das geht damit gut. Die Unternehmen kennen ihre Kunden gut. Sie wissen, wie groß ihre Fan-Base ist und was sie interessiert und ob es sich lohnt, auch mal eine Limited Edition rauszubringen.
Bauern, die seit Generationen Fendt-Traktoren auf dem Hof haben, sind bestimmt Fans. Ich bin kein Aldi-Fan, aber das Aldimania-Handtuch finde ich echt cool und witzig. Es ist ein Statement, das zu nutzen, während andere vielleicht mit einem Gucci-Handtuch ein Statement setzen. Auch DHL ist für mich persönlich keine „Love Brand“, aber das heißt ja nicht, dass es bei anderen auch so ist. Es gibt Menschen, die sammeln Miniaturautos, und bei ihnen ist ein DHL-Lieferwagen von Siku sehr begehrt.
Wahrscheinlich kann jede Marke ihre Fans haben. Man muss sie nur finden. Es geht darum, die Zielgruppe zu bestimmen. Auf einem Golf-Treffen gibt es VW-Merch und auf dem Wacken Festival wiederum muss es etwas mit Metal zu tun haben.
Wo sehen Sie Überschneidungen zwischen den Bereichen der haptischen Werbung, dem Merchandising und dem Lizenzgeschäft?
Eine richtig harte Abgrenzung gibt es nicht. Ob die gebrandeten Socken nun von einem White-Label-Hersteller in Lizenz auf den Markt gebracht werden, um ein Produkt zu bekommen, das die Mitbewerber nicht haben, oder ob eine Marke eine Kooperation mit einem Sockenhersteller eingeht, um ein Merch-Produkt anbieten zu können – das alles verschwimmt miteinander.
Eine Überschneidung von Lizenzprodukten und haptischer Werbung ist, dass man neue Zielgruppen erreicht. Wenn ein Versicherungsunternehmen z.B. eine KFZ-Vollkaskoversicherungen anbietet und weiß, dass immer weniger junge Menschen ihren Führerschein machen, aber dass junge Männer verhältnismäßig mehr Auto fahren, dann macht es Sinn, einen Werbeartikel einzusetzen, der genau diese Zielgruppe interessiert. In diesem Fall interessiert sie sich z.B. für Gaming, also könnte man ein Produkt einsetzen, das Gaming mit der Versicherung verknüpft. Sie könnten aber auch die IP eines bestimmten Spiels verwenden, um die Zielgruppe mit der Versicherung zu erreichen.
Das fände ich witzig, wenn eine Autoversicherung das Spiel Grand Theft Auto, wo die ganz Zeit Autos ineinander crashen, als Lizenz für Werbezwecke nutzen würde.
Ja, ganz genau. Wir arbeiten gerade für ein Unternehmen, das Spielzeugrennbahnen macht, und da sind wir an GTA dran. Das ist eigentlich ein Kids-Produkt, aber ich bin mir sicher, dass es eine Menge GTA-Fans gibt, die schon 30 oder 40 sind, die das dann kaufen würden. Mit Kooperation und Lizenzprodukten kann man Trends abdecken. Versicherungen sind dröge, da kannst du nicht wirklich trendy sein. Aber durch ein Co-Branding kann man den Trend mitnehmen. Man schafft neue Anknüpfungspunkte für die Zielgruppe, die man haben will.
// Mit Eva Stemmer sprach Andreas J. Haller
Bildquellen: Aldi Süd; BRANDmate; Cartamundi; Fritzi aus Preußen; Shutterstock; Stance; Warner Bros. Entertainment