Das E-Commerce-Unternehmen EMP aus Lingen, das seit 2018 zur Warner Music Group (WMG) gehört, beschäftigt rund 600 Mitarbeitende und verfügt über ein Handelsvolumen von mehr als 300 Mio. Euro. Ursprünglich auf die beiden Musikrichtungen Rock und Metal fokussiert, ist der Merch-Experte heute auch in den Bereichen Pop Culture, Filme, Serien und Videospiele zu Hause. HAPTICA® Magazin hat von CEO Dr. Jan Fischer erfahren, warum Bandshirts die mit Abstand erfolgreichsten Merchartikel im Metal sind, und wie aus Metalfans loyale Kund:innen werden.

Wie ist EMP aufgestellt?

EMP-CEO Dr. Jan Fischer

EMP-CEO Dr. Jan Fischer

Dr. Jan Fischer: In mittlerweile mehr als 35 Jahren hat sich EMP vom Wohnzimmer-Start-up zu einem der führenden E-Commerce-Unternehmen Europas entwickelt. Unser Hauptsitz befindet sich in Lingen und ist mit der Zeit beträchtlich gewachsen und zu einem wichtigen Arbeitgeber im Emsland geworden. Neben unserem Hauptstandort inklusive Logistikabteilung verfügen wir über mittlerweile drei EMP-Stores in Dortmund, Leipzig und Lingen, ein Outlet in Lohne sowie Zweitstandorte in Düsseldorf (Marketing), London und Verona (beide European Customer Service).

Unsere Produktpalette erstreckt sich von Bandshirts und sonstigen Textilien bis hin zu unzähligen Accessoires, Sammlerstücken und Schuhen. Wir sind im Rock und Metal beheimatet, haben mit der Zeit aber auch weitere starke Themenkomplexe aufgebaut und bedienen heute weite Teile der Pop Culture mit Merchandisingartikeln für Filme, Serien und Videospiele sowie mit unseren Fashion-Eigenmarken. Unsere Stores sind dabei Fan-Erlebnisorte, in denen es um viel mehr geht als ums Shoppen. Hier finden regelmäßig Autogrammstunden, Acoustic Sessions und Co. statt. Der EMP Backstage Club, kurz BSC, ein mehrfach vom Deutsche Bonus Awards ausgezeichnetes Loyalty-Programm, zählt aktuell 300.000 Mitglieder, die sich neben einem Gratisversand und exklusiven Gewinnspielen u.a. über unsere Backstage Club-Areas bei den Festivals Wacken und Summer Breeze freuen können.

Auch Eigenentwicklungen spielen bei EMP eine Rolle …

Dr. Jan Fischer: Wir arbeiten seit Langem erfolgreich mit einer Vielzahl von Bands, Managements und Lizenzpartnern zusammen und erschaffen gemeinsam über Lizenz- und Kooperationsvereinbarungen Artikel in Eigenentwicklung. Beispiele hierfür sind Iron Maiden, Slipknot, Volbeat oder AC/DC. Unsere Design-Teams greifen dabei auf einen großen Erfahrungsschatz zurück, der jegliche Genregrenzen sprengt – so stammen aus unserem Haus auch überaus erfolgreiche Kollektionen für verschiedene Disney-Marken, darunter Star Wars und Marvel, sowie für Gaming-Verlage wie Ubisoft oder Riot Games/Tencent.


Es macht den Eindruck, als seien Metaller ganz besonders merch-affin. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum das so ist?

Dr. Jan Fischer: Metal versteht sich seit jeher als kulturelle Gegenbewegung zum musikalischen Mainstream und Pop. Das bezieht sich auf die Musik selbst, aber auch auf die Themen, die in den Texten behandelt werden und nicht zuletzt auf das Cover-Artwork und das Design im Allgemeinen, das oft dazu neigt, etwas anzuecken. Das sind Trademarks, auf die Metalfans stolz sind, und die sie gern offen tragen – von speziellen Haar- oder Bartstylings über Tattoos bis hin zu T-Shirts, sonstigen Kleidungsstücken und Accessoires.

 Welche Merch-Artikel zählen bei EMP zu den Bestsellern?

Dr. Jan Fischer: Hier kommt der Aspekt der Kommunikation zum Tragen: Metalfans erkennen einander dank ihres „Bekleidungs-Codes“ schnell in jeder Menschenmenge und liefern zugleich eine relevante Message, einen Icebreaker mit: „Schau, ich bin in diesem Winkel des Metal unterwegs.”

Das ist wichtig, denn: Es gibt kaum ein musikalisches Genre, das so vielfältig ist wie Metal. Obwohl für Außenstehende aufgrund der meist dunkel gehaltenen Kleidung der Eindruck von Uniformität entstehen kann, ist tatsächlich genau das Gegenteil der Fall: Keine andere Musikrichtung umfasst so viele Facetten, Themen, Strömungen und Stimmungen. Dadurch bietet Metal ein gewaltiges Potenzial, die eigene Individualität auszuleben und auszudrücken. Und genau dieses Potenzial bedienen wir von EMP seit der Gründung des Unternehmens. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Bandshirts die mit Abstand erfolgreichsten Merchartikel im Metal sind: Kaum ein Bekleidungsstück ist so universell, genderneutral und für so viele Gelegenheiten geeignet wie das klassische T-Shirt.

Wie sieht das Marketing von EMP selbst aus, um Metalheads als Kund:innen zu gewinnen bzw. Präsenz bei der Zielgruppe zu zeigen?

Dr. Jan Fischer: Unser wichtigstes Asset in puncto Eigenwerbung ist unsere Identität, das „wir“ hinter der Marke EMP. Unser Claim „Von Fans für Fans“ beschreibt eine Wirklichkeit, die von unseren Kund:innen sehr geschätzt wird. Es gibt viele Fans unter unseren Mitarbeitenden. Wir bieten Dinge an, die uns selbst gefallen und auch den Fan in uns selbst zu überzeugen vermögen. Das wissen EMP-Kund:innen. Ob in den Stores, in den Sozialen Medien, an der Hotline oder in unseren BSC-Areas auf verschiedenen Festivals – es gibt viele Berührungspunkte, wenn die Fans außerhalb mit denen innerhalb des Unternehmens EMP zusammenfinden.

Die zahlreichen Merchartikel mit EMP-Branding, die bei uns zum Einsatz kommen, haben manchmal den Mehrwert des Erinnerungsstückes. Gute Beispiele sind unsere legendären EMP-Flaggen mit immer wieder neuen Motiven, die von Fans gesammelt und v.a. auf Festivals zur Schau gestellt werden, und unsere EMP-Aufkleber, die unzählige Fan-Autos zieren. Der BSC selbst wartet mit einer Vielzahl verschiedener Werbeartikel auf, darunter Gläser, Pommesgabeln oder Knautschbälle. Häufig findet unser Brand Marketing in Gestalt von Happenings statt, wie etwa in den Backstage Club Areas oder im Rahmen exklusiver Signing Sessions in unseren Stores. Wir sind nah dran an den Themen, die Fans wichtig sind, was sich oft auch in Cross Marketing-Aktionen mit Künstler:innen, Verlagen oder Veranstalterfirmen kanalisiert.

Haribo wirbt auf dem Wacken, Volkswagen lässt in einem seiner TV-Spots vier Typen im Auto moshen – Warum sind Metaller so eine interessante Zielgruppe? Und was braucht eine Marketingkampagne, damit sie bei Metalheads auch tatsächlich gut ankommt und nicht für Augenrollen sorgt?

Dr. Jan Fischer: Metal ist seit über 50 Jahren eine feste Instanz, die sich zwar fortlaufend verändert, erneuert und selbst auffrischt, ihre Core Values dabei aber stets beibehält. Mittlerweile ist vom Teenie bis zum/zur Rentner:in eine generationenübergreifende Gemeinschaft entstanden. Wir sprechen hier von einem nicht unerheblichen Teil unserer Gesellschaft – und dem kann sich kaum mehr eine Marke verschließen. Dabei entscheidet Authentizität über den Erfolg einer Kampagne, wenn es um eine Annäherung an und das Abbilden von Heavy Metal-Fans geht. Metalheads sind oft kreativ und zugleich bodenständig und ehrlich – da wundert es nicht, dass Kampagnen gut ankommen, wenn sie von Verständnis und Wertschätzung geprägt sind.

Je mehr der Metal durch seine Verbreitung auch über Altersgrenzen hinweg in der Mitte der Gesellschaft ankommt, desto leichter wird es, Metalfans erfolgreich in Werbekampagnen zu inkludieren. In jedem Fall ist es immer zu empfehlen, zunächst Metalfans in den eigenen Reihen zu konsultieren, bevor man mit einer Kampagne startet. Augenroll-Momente sind v.a. dann garantiert, wenn zu stark mit Stereotypen gespielt wird, ohne dass dem Ganzen eine ironische oder satirische Intention zugrunde liegt, die das eventuell rechtfertigen könnte. Auch können genrefremden Personen schnell Fehler unterlaufen, da äußerlich eher subtile Unterschiede nach innen hin großen Wirkungen in der Fan-Psyche entfalten können. Wer da blind in die Repräsentation geht, kann sich schnell Ablehnung oder saftigen Spott einhandeln. Schafft es eine Marke, in die Metalfamilie aufgenommen zu werden, steht sie zwar ständig auf dem Prüfstand, wird dort aber mit einer gewissen Loyalität behandelt.

// Mit Dr. Jan Fischer sprach Jasmin Oberdorfer.

Bildquelle: E.M.P. Merchandising Handelsgesellschaft

Mehr über die Metalszene erfahren interessierte Leser:innen im HAPTICA® Magazin #01 (7. Februar 2024). Der dort enthaltene Zielgruppenreport wirft einen genaueren Blick auf die unterschätzte Zielgruppe und stellt Marketingaktivitäten vor, in denen Metalfans authentisch begegnet wird – mit dabei u.a. Hornbach, Globetrotter und die Telekom. Ein Interview mit den beiden Metalheads Constantin Hochwald und Sascha Winkler von der Kommunikationsagentur Brain’n’Dead ergänzt die Strecke.