Der Hubertushirsch auf dem Etikett einer eckigen Flasche aus Grünglas ist längst Kult: Der Kräuterlikör Jägermeister ist eine der ikonischten Genussmarken Deutschlands und ein weltweiter Exportschlager. Das Image der beliebten Spirituose hat sich im Laufe der Jahrzehnte seit 1934 mehrfach verändert – auch dank geschickter Marketingstrategien. HAPTICA® Magazin sprach mit Simon Jödecke, Senior Director Customer Marketing & E-Commerce bei Mast-Jägermeister, über Love-Brands, die besten Nächte des Lebens, die Erfindung des Trikotsponsorings und warum, Qualitätswerbeartikel mittlerweile die orange Flut an Giveaways abgelöst haben.

Jägermeister ist eine der bekanntesten Marken weltweit im Bereich Spirituosen. Während der Corona-Pandemie waren Kneipen und Clubs geschlossen, Festivals fanden nicht statt. Wie hat sich das auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Simon Jödecke: Die Zeit war für alle Akteure des Nachtlebens hart. Wir haben unsere Partner supportet, wo es ging, und auf Zusammenarbeit und Unterstützung gesetzt. Zum Beispiel haben wir mit unserer Aktion „Save The Night“ allein in Deutschland seit 2020 mehr als 1 Mio. Euro in Form von Spenden und Soforthilfen aufgebracht. Damit wurden die Clubszene und Bartender unterstützt. Mit dem Booking von über 150 Künstlerinnen und Künstler haben wir zudem die Kultur gefördert und zum Erhalt des Nachtlebens beigetragen. Das hat sich ausgezahlt. Wir sind stark aus der Krise herausgekommen.

Wie bewerten Sie das Marktumfeld für Kräuterlikör und was ist das Besondere an Jägermeister? Wie unterscheidet sich Ihre Marke von den Wettbewerbern?

Simon Jödecke: Während andere Kräuterliköre verlieren, wachsen wir weiter. Das liegt daran, dass wir eine Love-Brand sind. Unsere Fans trinken nicht einfach nur Kräuterlikör, sondern besiegeln mit Jägermeister die besten Nächte ihres Lebens. Unsere Mission ist es, das immer wieder mit relevanten Marketingmaßnahmen hervorzuheben.

1973 war Jägermeister der erste Trikotsponsor der Bundesligageschichte und damit ein Vorreiter in diesem Bereich. 2023 haben Sie zusammen mit Eintracht Braunschweig, dem Verein, der damals gesponsort wurde, ein Jubiläumstrikot und eine Jägermeisterflasche mit Jubiläumsetikett in den blau-gelben Vereinsfarben herausgebracht. Welche Bedeutung hatte das Trikotsponsoring für die Marke Jägermeister damals, und wie blicken Sie heute auf diese Innovation zurück?

Simon Jödecke: Die Erfindung des Trikotsponsorings durch den damaligen Geschäftsführer Günter Mast war ein genialer Marketing-Coup und wird bis heute als bahnbrechende Idee gefeiert. Das war etwas nie Dagewesenes und musste gegen den Widerstand des DFB durchgeboxt werden. Diese Aktion hat Jägermeister damals viel nationale PR beschert.

Werbung für eine Spirituose passt aus heutiger Sicht allerdings nicht mehr zum Leistungssport. Wir haben unser Spielfeld in die Nacht verlagert, dorthin, wo in Gemeinschaft gefeiert wird. Aber wir erinnern uns natürlich gern an diese historische Aktion. Deswegen haben wir das Jubiläum auch mit unserem Retro-Trikot und der Sonderedition der Flasche aufgegriffen. Wir machen den Fans damit eine große Freude.

Wie hat sich die Marketingstrategie von Jägermeister im Laufe der Jahre verändert?

Simon Jödecke: Unsere Marke ist über die Jahre reifer geworden. Jägermeister hat sich zu einer Premium-Spirituose entwickelt. Unsere heutigen Marketingmaßnahmen bauen auf diesem Premium-Anspruch auf. Das Liquid ist das gleiche – an der Rezeptur hat sich nichts geändert. Was sich geändert hat, ist die Wahrnehmung. Unsere Kommunikation ist heute nicht mehr ganz so wild wie z.B. zu Zeiten der Jägerettes-Promotions, die damals die Gastro-Landschaft erobert haben. Dennoch steht bei der Vermarktung von Jägermeister weiterhin die Idee im Zentrum, dass unser Kräuterlikör die besten Nächte unserer Konsumenten noch besser machen soll.

Welche Rolle spielt haptische Werbung im Marketing von Jägermeister?

Simon Jödecke: Wir haben in den Nuller Jahren Festivals und Großveranstaltungen mit unseren Giveaways orange gefärbt. Von diesem Ansatz sind wir heute abgerückt. Qualität vor Quantität ist das Motto. Damit werden wir unserem Premium-Anspruch gerecht, aber vor allem geht es dabei auch um Nachhaltigkeit. Wir haben einen „Meister-Code“, der uns als Guideline bei der Entwicklung von Merch und Werbeartikeln dient. Dieser schließt billige Massenware aus China genauso aus wie Plastik- oder Wegwerf-Artikel. Daher gibt es von uns keine Massen-Giveaways mehr. Haptische Ware findet man bei uns eher selektiv und in kleinen Mengen in unserem Shop zum Erwerb.

In Ihrem Webshop bieten Sie eine vielfältige Jägermeisterkollektion an – von besonderen Geschenkflaschen über Zubehör bis hin zu Bekleidung und sogar Weihnachtsbaumkugeln. Welche Rolle spielt Merchandising für die Kundenbindung?

Simon Jödecke: Jägermeister ist eine Love-Brand und unsere Kunden wollen sehr gerne auch zeigen, dass sie die Marke lieben. Daher haben wir stets ein aktuelles Sortiment an verschiedenen Artikeln. Dazu gehören Camping-Equipment wie Schlafsäcke und Zelte, Grillausrüstung, aber auch Spiele oder sogar Manschettenknöpfe.

Welche Merch-Artikel sind besonders beliebt?

Simon Jödecke: Konsumnahe Artikel, die die Hausbar verschönern, sind immer sehr beliebt: Gläser, Ausgießer und unsere One-Bottle Tap Machine. Allem voran funktioniert aber Kleidung aller Art. T-Shirts, Hoodies ja sogar Badehosen erfreuen sich großer Beliebtheit.

Auf der HAPTICA® live 24 wird in der Best Practice Show der Jägermeister-Case zur Fassreife-Kampagne ausgestellt. Alte Jägermeisterfässer wurden von Möbeldesignern und Schreinern in einzigartige Möbel verwandelt und anschließend in einem Gewinnspiel verlost. Wie kamen es zu dieser Idee? Welches Image soll damit vermittelt werden?

Simon Jödecke: Wir versuchen in unseren Kampagnen, die Menschen mit verschiedenen Ansätzen zu erreichen. Es geht hier zum einen natürlich darum, Aufmerksamkeit auf unser Qualitätsversprechen zu lenken. Zum anderen wollen wir dieses Thema auch erlebbar machen und die Fans involvieren. Hier war es die Verlosung von Design-Stücken aus Fassdauben. Das edel verarbeitete Stück Holz bringt das Thema Fassreife anschaulich zu den Fans nach Hause.

Sie haben bereits betont, dass Sie seit einigen Jahren versuchen, die Marke Jägermeister stärker als Premium-Brand zu positionieren. 2017 wurde die hochwertige Variante Jägermeister Manifest eingeführt und auch die Kampagne zum exklusiven, mehr als 25 Jahre gereiften, 9556 NOE zielt in diese Richtung. Wenn Sie nun mit den Möbelstücken Fassreife und Handwerkstradition betonen, heißt das, die wilden Party-Zeiten sind vorbei und der Hirsch ist ruhig geworden?

Simon Jödecke: Der Slogan „Die besten Nächte Deines Lebens“ steht für unsere Mission. Das wissen auch unsere Konsumenten. Was aber längst nicht alle wissen, ist, dass Jägermeister gleichzeitig seit Anbeginn ein hoch qualitatives Produkt ist. Das wollen wir mit den angesprochenen Kampagnen und Maßnahmen zeigen. Unser Original-Jägermeister ist immer noch ein Produkt für den High-Energy-Moment – er ist nur etwas erwachsener geworden. Manifest und der sehr exklusive 9556 NOE haben andere Ansätze. Sie sind für Menschen in ruhigeren Konsumsituationen gemacht.

Wie sprechen Sie einerseits Genussfreunde im Premiumsegment, andererseits die Party-Szene am POS an? Kann dasselbe Produkt, der originale Jägermeister, z.B. mit unterschiedlichen Onpacks an unterschiedliche Zielgruppen adressiert werden?

Simon Jödecke: Jägermeister ist eine Volksmarke. Unterschiedliche Menschen feiern ihre besten Nächte auf unterschiedliche Art. Allen gemeinsam ist jedoch, dass man mit Jägermeister den Moment besiegeln und die Gemeinschaft feiern kann. Diesem Motto folgt auch die Auswahl unserer Merch-Produkte bzw. Onpacks, wie zum Beispiel die Handpumpe, oder die Gläser. Die Freunde des ruhigen Genusses sprechen wir mit anderen Produkten an. So kommt es zu keiner Verwässerung.

// Mit Simon Jödecke sprach Andreas J. Haller.

Das Interview ist erschienen in HAPTICA® Magazin #01 (7. Februar 2024).

Fotos: Jägermeister (1); Kevin Münkel (8)