Als ziviler und militärischer Auslandsnachrichtendienst agiert der Bundesnachrichtendienst (BND) naturgemäß zumeist im Verborgenen. Mit einer aufsehenerregenden Recruiting Kampagne und dem Launch eines Merch-Stores hat der Geheimdienst nun aber den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt. Wie man Vertrauen für eine Behörde schafft, was BND-Fans sich mit nach Hause nehmen können und wie ein Jutebeutel neue Agenten wirbt, erfuhr das HAPTICA Magazin im Gespräch mit Julia Linner vom BND und Sarah Gräser von der Agentur Ants&Friends aus Bremen.

Lange Zeit war man es nicht gewohnt, dass der BND sich öffentlich präsentiert hat. Mit der Kampagne und dem Shop hat sich das jetzt geändert. Was steckt hinter dieser Offensive?

Julia Linner: Das hat mehrere Gründe. Zum einen wollen wir Vertrauen und Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern generieren, ihnen die Arbeit und den Auftrag des BND näherbringen, zum anderen wollen wir aber natürlich auch das Interesse von potenziellen Nachwuchstalenten wecken, die uns dann möglicherweise bei unserem nachrichtendienstlichen Auftrag unterstützen können.

Wann kam es zu dem Entschluss, dass der BND sich präsenter zeigen und auch das Bild in der Öffentlichkeit schärfen möchte?

Linner: Tatsächlich begann das schon 1996, als der damalige Präsident Hansjörg Geiger eine erste Transparenzoffensive startete. Das war noch weit entfernt von dem, was wir heute machen. Damals bedeutete Transparenzoffensive, dass wir erstmalig am Eingang unserer Liegenschaft in Pullach bei München ein Türschild bekamen, auf dem BND stand. Seit der Gründung des Bundesnachrichtendienstes 1956 wurde die Liegenschaft nie offiziell gekennzeichnet. Den Höhepunkt haben wir aber natürlich jetzt mit dem Shop erreicht, der es ermöglicht, den BND mit nach Hause zu nehmen, auch oder gerade dann, wenn man nicht für die Behörde arbeitet.

Wurde damals auch schon Merchandise eingesetzt oder gab es spezielle Werbeartikel, beispielsweise fürs Recruiting?

Linner: Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit hatten wir auch in den Jahren zuvor schon Werbeartikel und so kam es auch zur Idee für den Shop. 2005 gab es bereits einen kleinen BND-Shop, jedoch ausschließlich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BND.

Außerdem haben wir auf Messen Streuartikel eingesetzt. Daraufhin bekamen wir vermehrt Anfragen, ob man diese Artikel kaufen könne. So haben wir dann entschieden, den kleinen Shop etwas größer zu gestalten und zu öffnen. An dieser Stelle kam dann Ants & Friends ins Spiel, die die Ausschreibung für den Shop gewonnen haben.

Wurde die Zielgruppe eher mit Blick auf junge Talente festgelegt, oder sollen auch andere Gruppen angesprochen werden?

Sarah Gräser: Aktuell würde ich die Zielgruppe mit 18 Jahren und älter, sehr IT-affin und hauptsächlich männlich beschreiben. Wir sind, gerade was das Alter angeht, nicht konkret festgelegt, denn es gibt auch ältere Fans des BND oder Personen, die das Projekt spannend finden und uns mit ihren Einkäufen unterstützen. Daher beziehen wir uns nicht ausschließlich auf junges Publikum.

Welche Kriterien gab es bei der Auswahl der Artikel, die wir jetzt im Shop finden?

Gräser: Grundsätzlich geht es um CI-Konformität. Wir wollen moderne Artikel, die aber auch nicht zu ausgefallen sind, und haben auf verschiedene beliebte Klassiker gesetzt. Angedacht waren zunächst verrücktere Ideen, passend zur Plakatkampagne des BND, jedoch haben wir schnell gemerkt, dass klassische, hochwertige Produkte mit zurückhaltendem, aber ansprechendem Design besser laufen. Dabei versuchen wir auch immer nachhaltige Produkte, beispielsweise aus recycelten Materialien, zu berücksichtigen.

Sie haben das Thema Nachhaltigkeit angesprochen. War das von der Behörde vorgegeben, oder entspricht das einfach auch dem Zeitgeist? Und welche Kriterien waren in Bezug auf Nachhaltigkeit wichtig?

Linner: Da das Thema Nachhaltigkeit ja auch die Bundesbehörden betrifft und uns stets begleitet, war das für uns schon sehr wichtig.

Gräser: Grundsätzlich war Nachhaltigkeit in der Ausschreibung ein Thema, für uns bei Ants & Friends, mit 24 Jahren im Werbeartikelmarkt, ist es aber selbstverständlich, dass wir mit der Zeit gehen und auch modern und nachhaltig denken. Bei den BND-Produkten sind jetzt viele Produkte aus Biobaumwolle oder recycelter Baumwolle dabei. Vor allem setzen wir auf hochwertige Qualität, z.B. bei den Tassen, die von Mahlwerck produziert werden. Das mag dann auf den ersten Blick kein nachhaltiges Material sein, aber die Artikel sind extrem langlebig und das Unternehmen produziert seit 2018 klimaneutral. Für uns und auch die Konsumenten spielt das Thema Langlebigkeit eine sehr große Rolle.

Ist für die Zukunft eine Sortimentserweiterung geplant?

Gräser: Ja. Wir sind konkret in der Planung für Herbst/Winter und im Austausch bezüglich Designs und Umsetzung. Ich darf auch verraten, dass es etwas in Richtung Weihnachten geben wird. Insgesamt werden fünf bis sechs Artikel neu dazukommen.

Der Shop wurde Mitte Juni gelauncht. Welche Maßnahmen gab es, um den Shop bekannt zu machen?

Gräser: Wir haben einen Social Media-Kanal, @bandmerchshop, da posten wir Produktneuheiten und fragen die Community u.a. nach ihrer Meinung zu neuen Produkten. Unser Partner MatesByMates kümmert sich um die technischen Hintergründe des Shops und den Social Media-Auftritt. Wir sind gemeinsam in die Ausschreibung gestartet und sind jetzt auch die Lizenznehmer.

In Zusammenarbeit mit dem BND versuchen wir aber auch zu bestimmten Anlässen, wie dem Tag der Deutschen Einheit, Werbung für uns zu machen.

Linner: Ergänzend kann ich noch sagen, dass das mediale Echo zum Launch enorm war, da kaum jemand mit sowas gerechnet hat. Es gab große Berichterstattungen im Print und im TV. Auch aus unserem Besucherzentrum, in dem wir einen Warenautomaten haben, wurde berichtet. Der Warenautomat ist sozusagen der einzige physische Shop, in dem Produkte erworben werden können.

Dort gibt es nicht das gesamte Sortiment, aber die wesentlichen Produkte sind dort zu erwerben.

Welche Artikel sind denn besonders beliebt?

Linner: Ich konnte im Besucherzentrum Leute beobachten, die nur dorthin gekommen sind, um sich Socken aus dem Automaten zu ziehen.

Gräser: Richtig, die Socken mussten wir schnell nachbestellen. Aber auch die Sammelcoins, die Tassen und auch die T-Shirts sind sehr beliebt und mussten bereits mehrmals nachbestellt werden.

Werden die Produkte ausschließlich über den Shop und den Warenautomaten verkauft, oder nutzen Sie diese auch als Giveaways bei Messen?

Linner: Mitarbeitende des BND können in der Kantine Artikel erwerben.

Im Rahmen der täglichen Arbeit nutzen wir zudem die Produkte gerne als Gastgeschenke, wenn wir unsere internationalen Partner treffen. Hier eignen sie sich besonders gut, da diese natürlich auch von der Kampagne gehört haben.

Gräser: Dazu ist zu sagen, dass die Shop-Artikel separat zu sehen sind. Wenn es grundsätzlich um Artikel für die Öffentlichkeitsarbeit des BND geht, läuft dies immer über eine Ausschreibung. Als Giveaways gibt es dann vielleicht ähnliche Artikel, jedoch nicht dieselben wie im Shop.

Zu Beginn haben Sie gesagt, dass Sie mit der Kampagne nicht nur neue Mitarbeiter gewinnen wollen, sondern auch das Vertrauen in die Behörde stärken möchten. Wie trägt der Merch dazu bei, das Image positiv zu beeinflussen?

Linner: Im ersten Schritt war uns wichtig, dass die Leute, wenn sie BND lesen oder hören, wissen, von wem gesprochen wird, man also ein Bild von der deutschen Sicherheitsarchitektur bekommt. Mit der steigenden Bedrohungslage, die wir aktuell von innen und außen sehen, ist es wichtig, dass Bürgerinnen und Bürger den Behörden vertrauen. Wenn man nicht weiß, mit welcher Behörde man es überhaupt zu tun hat und was deren Auftrag ist, fällt es aber schwer, sich damit zu identifizieren und zu vertrauen.

Können Werbeartikel Unternehmen also ein sympathisches Gesicht geben, insbesondere im Rahmen einer solchen Imageoffensive?

Gräser: Absolut. Mit der Auswahl der Artikel zeigen wir auch, dass es sich um eine junge und dynamische Behörde handelt. Auch die Modernisierung des BND-Adlers, bringt eine positive Frische mit sich.

Linner: Im August hatten wir einen großen Stand auf der gamescom, wo wir auch mit Werbeartikeln unterwegs waren, und der Effekt ist einfach enorm. Niemand dort hat erwartet, dass sich eine geheim arbeitende Behörde so offen präsentiert. Der Aha-Effekt führt dann zu positiven Gefühlen und man hat zudem die Möglichkeit mit echten Mitarbeitenden ins Gespräch zu kommen. Auch durch den Shop wird die Behörde – im Wortsinn – viel greifbarer.

 Nimmt der BND sich da auch an anderen, ausländischen Behörden ein Vorbild? Das FBI aus den USA und auch das MI6 aus Großbritannien haben eine ganz andere mediale Präsenz.

Linner: Natürlich stehen wir auch in der Öffentlichkeitsarbeit mit unseren internationalen Partnern in engem Austausch und wissen, dass die großen Player in den USA und Großbritannien durch ihren öffentlichen Auftritt, sei es durch Merch oder Filme, ein anderes Standing in der Bevölkerung haben, das auch für uns erstrebenswert ist.

Zu dieser Öffentlichkeit gehört auch das Thema Humor. Im Shop und auch in der Plakatkampagne wurde mit viel Augenzwinkern gearbeitet.

Linner: In den unterschiedlichen Kommunikationskanälen variieren wir in Auftreten und Ton. Wir passen uns da an und so ist es auch bei der Kampagne, die von informativ bis humorvoll reicht. So konnten wir das Überraschungsmoment nutzen, dass sich auch eine geheim arbeitende Behörde so humorvoll präsentieren kann. Mit der Employer Branding Kampagne „Komm dahinter“ ist nicht nur eine Beschreibung unserer Arbeit gemeint, sondern auch eine Einladung, sich die Behörde selber anzuschauen und kennenzulernen.

Wie ist das Feedback auf die Kampagne? Kommen die witzigen Sprüche gut an?

Linner: Das Feedback ist durchweg positiv. Grade mit Blick auf die gamescom – die Besucher bleiben stehen, wundern sich und sind dann begeistert. So erreichen wir auch unser zweites Ziel, dass wir nicht nur als moderne Behörde wahrgenommen, sondern auch als Arbeitgeber in Betracht gezogen werden. Ein neuer Kollege erzählte zuletzt, dass er vor vielen Jahren bei einem Tag der offenen Tür einen BND-Jutebeutel bekommen hat und durch diesen erst auf die Idee gekommen ist, den BND als Arbeitgeber in Betracht zu ziehen.

Mit Julia Linner und Sarah Gräser sprachen Sophia Arnold und Dr. Mischa Delbrouck.