
Auf dem diesjährigen OMR Festival hat auch die haptische Werbung ihren festen Platz. Die Initiative The Hapticologist – ein Zusammenschluss mehrerer Merch-Experten – lädt in Halle A4, B01 zu einer Bar ins Center of Seven Senses. Und in einer Masterclass mit dem Titel „More Sense for Stronger Brands“ wird die Wirksamkeit haptischer Brand Assets für die Markenbildung anschaulich erläutert. HAPTICA® Magazin sprach mit Masterclass-Speaker Olaf Hartmann über das Ende des digitalen Rauschs, langfristig verankerte Gedächtnisspuren und implizite Signale von Kugelschreibern.
Mehr als 800 Speaker, mehr als 1.000 Aussteller, rund 70.000 Besucher an zwei Tagen. Das OMR Festival ist eine Veranstaltung der Superlative. Sie sind seit 15 Jahren als Markenberater aktiv und gefragter Experte für multisensorisches Marketing. Was halten Sie von von der OMR?
Das ist ein echtes Rockfestival, eine hochattraktive Veranstaltung, die es schafft, Entscheider anzuziehen. Natürlich sind auch unglaublich viele vor Ort, die einfach nur feiern wollen. Aber dennoch: Wenn es einer Marketingveranstaltung gelingt, die Innenstadt von Hamburg lahmzulegen, dann muss man das mit Respekt betrachten. Und die inhaltliche Qualität, die von Anfang an geboten wurde, ist wirklich top.
Was haben Sie gedacht, als Sie erfahren haben, dass sich eine Initiative aus dem Markt für haptische Werbung zusammengetan hat, um unter dem Namen „The Hapticologist“ auf der OMR die Faszination von Merch und haptischer Werbung erlebbar zu machen? Sind die Besucher nicht eher ausschließlich auf digitales Marketing und Technologien fokussiert?
Ich finde die Initiative sehr gut, weil sie dorthin geht, wo es die Entscheider hinzieht. Dort bildet sich Meinung. Und ich nehme seit einigen Jahren wahr, dass es im Publikum auch eine Offenheit für andere Marketingthemen jenseits des Onlinemarketing gibt. Selbst Philipp Westermeyer (Gründer der OMR, Anm. d. Red.) hat schon auf einer seiner Eröffnungsreden deutlich gemacht, dass man sich zwar als Rockstars feiert, doch ehrlicherweise ja auch nur ein Teil des Marketings ist.
Trotzdem war über ein Jahrzehnt „digital“ die erste Antwort auf alles, egal, was die Frage eigentlich war. In diesem digitalen Rausch haben viele die eigentlichen Ziele aus den Augen verloren. Mit dem Ergebnis, dass viele Marken schwächeln und die Kampagneneffizienz sinkt. Trotzdem werden weiterhin die Budgets ins digitale verlagert. Höchste Zeit, Entscheidern aufzuzeigen, dass es mehr für starke Marken und Vertriebserfolg braucht.
Tatsächlich sind die großen digitalen Marken ja auch nicht ausschließlich auf digitalen Kanälen unterwegs. Flyeralarm macht z.B. Sportsponsoring, YouTube hat ein großes Merchprogramm, Zalando wirbt in TV-Spots …
Ja natürlich. Denn sie müssen ihre Marke stark halten. Gerade im digitalen Raum findet eine zunehmende Monopolisierung statt. Erfolgreiche Innovationen werden schnell kopiert. Das heißt, sich auf der Produkt- oder Prozessebene zu differenzieren und damit auch Geld zu verdienen wird immer schwieriger. Das Einzige, was dauerhaft hilft, ist eine starke Marke.
Im physischen lokalen Umfeld haben kleine Betriebe immer eine Chance, sich über ein gutes Angebot auch eine lokale Marke aufzubauen und gegen große Ketten zu behaupten – denken wir nur an den kleinen Bäcker, der im Ruf steht, das beste Krustenbrot weit und breit zu haben. Im digitalen Raum gibt es jedoch eine Monopolisierung im Kopf zu bestimmten Kernfunktionen. Search ist Google, Video ist YouTube, Kurzvideo ist Tiktok, Businesscontent ist LinkedIn, Cloud-CRM ist Salesforce. In keinem anderen Markt entscheidet Marke so viel.
Die Markenforschung hat das Prinzip „Easy to find, easy to mind” für Wachstum empirisch belegt . Das sind die beiden Faktoren, die Markenerfolg ausmachen. „Easy to find“ ist im Internet aber alles, deshalb geht es darum, in Momenten des Bedarfs mental sehr leicht verfügbar zu sein und eine klare Nutzenerwartung zu wecken, die stärker ist als die Alternativen, die den Nutzern einfallen. Dafür braucht es starke Gedächtnisspuren. Und um die auszubilden, braucht es andere Kanäle als nur Online.
Doch das verstehen viele nicht. Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland eine massive Verlagerung der Budgets in den digitalen Raum registriert – auf mittlerweile fast 60% der Werbespendings. Gleichzeitig sinkt aber die Kampagneneffizienz. Es braucht immer mehr Geld für das gleiche Ergebnis. Die digitalen Player sind demgegenüber nicht blind. Sie wissen genau, dass sie, um ihre Marke stark und begehrenswert zu machen, auch die anderen Kanäle bespielen müssen, zählen zu den größten Werbetreibenden der anderen Gattungen, setzen stark auf Events und Live-Erfahrungen, die sich dann natürlich gut digital verlängern lassen.
Welche Bedeutung hat denn die haptische Werbung fürs Brandbuilding?
Es darum geht, multisensorische Markenidentitäten aufzubauen. Denn unser Gehirn reagiert stärker auf multisensorische Signale – mit jedem zusätzlichen Sinn um den Faktor 10. Das sind 1000% mehr, und das erzeugt natürlich auch stärkere Gedächtnisspuren. Deshalb gibt es z.B. Flagshipstores. Studien zeigen, dass ein einziger Besuch in einem Flagshipstore alle weiteren Werbekontakte mit der Marke effektiver macht und die Qualitätserwartung gegenüber der Marke signifikant steigt.
Und so kann man auch haptische Werbung einordnen. Haptische Werbung ist sensorisch gesehen wie ein kleiner Flagshipstore. Der Kontakt, um dieselbe Reichweite zu erzielen, ist natürlich teurer als ein Banner-Ad, aber Kontakt ist nicht gleich Kontakt. „Not all reach ist equal“, wie Karen Nelson-Field (australische Medienforscherin, Anm. der Red.) sagt. Und ein einziger haptischer Kontakt erhöhte in Studien die Betrachtungszeit von Online-Ads um 20%. Man muss Kontakte also auch nach ihrer Qualitätsdimension bewerten. Aus dem Zusammenspiel entsteht eine deutlich stärkere Wirkung.
Marken wollen am Ende ja nicht für die Werbung bezahlen, sondern dafür, dass sie im Gedächtnis bleiben und positive Erwartung wecken, damit sie irgendwann dadurch Umsatz machen. Genau da hat dann die haptische Werbung ihren Stellenwert, weil sie durch ihre multisensorischen Eigenschaften sehr effektiv Gedächtnisspuren aufbauen kann.
Was sind die Stärken haptischer Werbung? Was kann die Haptik, was Online nicht kann?
Die besondere Stärke von haptischer Werbung in der Markenbildung ist die Intensität des Kontakts. Außerdem ist das Empfangen eines Geschenks ein psychologisch hochkomplexer Prozess, den wir hier jetzt nicht in Gänze erklären können. Auf jeden Fall erhält der Empfänger das Objekt in einem bestimmten positiv geprägten Kontext, er erlebt die Marke körperlich, beschäftigt sich mich mit ihr und nimmt dabei viele implizite Signale auf. Er oder sie schließt dabei vom Objekt auf die Gesamtqualität des Angebots des Anbieters. Hinzu kommt ein häufig sehr hoher Mediawert, weil die Produkte und Botschaften lange im Umfeld der Zielgruppen sichtbar bleiben. Diese Form der Werbung kann man nicht wegklicken.
Wenn man es pauschalisieren will, dann sind Hapticals, wie ich Werbeartikel nenne, hervorragend für den gezielten Markenaufbau geeignet und zur Steigerung der Effektivität des gesamten Marketing-Invests. Digitale Kanäle sind für Konversion sehr gut nutzbar, also um Markenkraft zu melken, das einmal entstandene Vertrauen zu konvertieren.
Was wichtig ist: Es geht nicht um das Eine oder das Andere. Aus der Mischung von beiden entsteht die beste Werbewirkung. Ohnehin ist Haptik ja kein eigener Kanal, sondern dockt immer an anderen Marketing-Touchpoints an. Hapticals machen Messeauftritte erfolgreicher, Mailings responsestärker, das Influencer Marketing interessanter, helfen dem Verkauf in der Beziehungsanbahnung, und nicht zuletzt erzeugen sie bei Mitarbeitern Identifikation mit der Marke.
Mir gefällt in dem Zusammenhang der Auftritt der The Hapticologist-Initiative mit dem Bar-Konzept. Das Ziel der Markenkommunikation ist ja, zu betören, einen Genuss zu erzeugen, der aus der Liebe zum Detail entsteht, aus dem richtigen Mix. Dafür braucht es bestimmte Zutaten. Und die haptische Werbung ist das Gewürz, das den Marketingmix lebendiger macht, ihm mehr Wirkung verleiht und die Menschen bezaubert. Die Analogie zum Cocktail ist gut gewählt.
Ein klar nachgewiesener Effekt ist die starke Emotionalisierung von Botschaften durch Haptik.
Der Kontakt wird persönlicher und individueller und somit sofort auch intensiver und emotionaler. Haptische Werbung ist die einzige Form der Werbung, für die man sich bedankt. Das ist schon ein enormer Wert, wenn der Adressat sagt: „Danke, dass du mich umwirbst“. Welche andere Werbeform erreicht dieses Niveau? Online Werbung auf jeden Fall nicht. Ad-Blocker sind mittlerweile die größte Protestbewegung der Welt. Fast 30% der Internetnutzer haben sie installiert. Das sind viele hundert Millionen Menschen, die aktiv diese Werbeform vermeiden.
Wie funktioniert das Brandbuilding über haptische Werbung?
Es gibt drei wesentliche Funktionen für die Markenbildung: Inspirieren, informieren und überzeugen. Da Werbeartikel implizit Qualitäten spürbar machen und Qualitätserwartungen wecken, sind sie gut darin, im direkten Kontakt implizit zu inspirieren, Interesse zu wecken. Für explizite Inspiration und Information sind TV, Websites oder Erklärvideos besser. Man kann über QR-Codes oder AR die beiden Stärken, das Aktivierende des haptischen mit der Informationstiefe des digitalen Mediums gut zusammenführen.
Beim Überzeugen wiederum ist die haptische Werbung besonders stark, denn der Tastsinn ist unser Wahrheitssinn. Wir können uns verhören, wir können uns versehen, wir können uns aber nicht verfühlen.
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Wann lassen wir uns eigentlich überzeugen? Wenn jemand uns etwas explizit erzählt, oder wenn wir implizit etwas spüren? Es sind die impliziten Signale, die ein gutes Gefühl bei einer Marke erzeugen. Danach finden wir leichter Argumente, die unsere Wahrnehmung bestätigen. Der Bauch entscheidet, der Kopf rechtfertigt.“
So schließt man z.B. über das Gewicht eines Kugelschreibers auf die Kompetenz eines Dienstleisters.
Das gehört zu den Dingen, die Einem nicht richtig bewusst werden, die man aber dann unbewusst doch auf eine Marke überträgt. Auch in der Branche herrschte ja lange Zeit die Denke vor, „Kontakt ist gleich Kontakt“ im Sinne von: „Der billigste Kugelschreiber tut’s ja, Hauptsache er schreibt einigermaßen“. Aber es gibt seit Jahren einen deutlichen Schwenk Richtung Qualität. Marketeers verstehen heute besser, was für implizite Botschaften auf ihre Marke übertragen werden, wenn der Drücker des Kugelschreibers klappert, die Tasse keine gute Haptik hat, der Stoff des T-Shirts sich unangenehm anfühlt. Die nächste Stufe wäre dann: Wie muss der Werbeartikel beschaffen sein, dass er auch meiner Markenpersönlichkeit Ausdruck gibt? Das ist dann Next Level Multisense-Branding.
Dieser Anspruch, sich mehr über die multisensorische Inszenierung der eigenen Marke Gedanken zu machen, drückt sich auch im Titel der Masterclass aus, welche die Hapticologist-Initiative zusammen mit Ihnen auf der OMR durchführt und die mit „More Sense for stronger Brands“ überschrieben ist.
Der Titel spielt auf beide Bedeutungen von „Sense“ an, die für Marken wichtig sind. Sinn und Sinnlichkeit. Zum einen geht es darum „Sinn“ zu kreieren, sich bewusst zu sein, welche relevante Botschaft man in die Köpfe bringen möchte. Und das geht nur über die Sinne. Denn wie schon John Locke erkannte: Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war.
Deshalb ist Multisensorik für Marken der Königsweg, um in die Köpfe und in die Herzen der Menschen zu gelangen. In einer weltweiten Studie zeigte sich über alle Branchen hinweg, dass multisensorische Marken eine höhere Kampagneneffektivität und Kundenloyalität haben. Das wird aktuell unter dem Begriff Distinctive Brand Assets diskutiert.
Was genau erwartet die Teilnehmer der Masterclass?
Zunächst werde ich einen Überblick verschaffen über den aktuellen Stand der Markenforschung: Was gibt es für belastbares Wissen wie Marken wachsen? Was sind die sieben Erfolgsfaktoren erfolgreicher Markenkommunikation? Dann wird es um die Rolle der Multisensorik und Brand Experience gehen. Wir zeigen die besondere Bedeutung der Haptik als Wahrheitssinn und Verstärker in ihren unterschiedlichen Ausprägungen auf.
Und danach wird das Ganze in die Praxis übersetzt, einmal im Bereich B2C anhand des Beispiels von der deutschen Telekom und dann im Bereich B2B beim Motorsportsponsoring von Schaeffler. Und abschließend bringen wir ein taktisches Thema: haptische Medien in der Leadgenerierung. Diese Erfolgsgeschichten belegen wir auch mit Zahlen. Denn wir leben, stark durch das Digitale getrieben, im Zeitalter der Rechtfertigung. Messbare Erfolgsindikatoren sind da besonders wichtig, wenn man Budgets haben will.
So lautet der Titel der Masterclass, die am ersten Tag des OMR-Festivals, am 6. Mai um 14.30 Uhr, Track 14 stattfindet.
Marken sind entscheidend für Kundengunst und Investorengelder, doch Budgets stehen unter Druck, Kosten steigen, der Kampf um Talente tobt. Gleichzeitig gibt es umfangreiches evidenzbasiertes Wissen zur Markenkommunikation. Viele Mythen wurden widerlegt, neue Erfolgsprinzipien für Brand Growth identifiziert – doch das ist in deutschen Unternehmen oft unbekannt.
In dieser Masterclass bringen Olaf Hartmann und Steven Baumgaertner, cyber-Wear, zusammen mit den Special Guests Ulrich Klenke (CMO Deutsche Telekom) und Sören Zinner (Leiter Global Sponsoring & Merchandise) die Teilnehmer auf den neuesten Stand und zeigen Best Practices und praxiserprobte Modelle, mit denen man durch multisensorische, haptische Brand Assets nachhaltig punktet.
Die Masterclass ist eng verknüpft mit dem Auftritt der Gruppe The Hapticologist in Halle 4, B01, wo multisensorisches Marketing an einer Bar erlebbar wird.
Die Masterclasses sind ein wesentlicher Bestandteil des OMR Festivals. In insgesamt 280 Masterclasses können die Festivalbesucher tiefer in bestimmte Marketingthemen eintauchen. Für die Teilnahme an einer oder mehrerer Masterclasses kann man sich noch bis zum 22. April anmelden.
Das OMR Festival in Hamburg hat sich seit seiner Gründung in 2011 zu einer der führenden Plattformen und Brands für Online-Marketing und -Technologie entwickelt und bringt mit seiner Mischung aus Konferenz, Messe, Show und Entertainment Entscheider und Experten aus den Bereichen Digital- und Marketingwirtschaft, Popkultur, Politik und Sport zusammen. Veranstalter ist die Ramp 106 GmbH, als führender Kopf gilt Gründer Philipp Westermeyer. Rund 70.000 Besucher werden am 6. und 7. Mai in Hamburg erwartet.
// Mit Olaf Hartmann sprach Dr. Mischa Delbrouck.