
Im Sommer 1977 gründete Captain Paul Watson die Sea Shepherd Conservation Society im kanadischen Vancouver, um ein Jahr später auf dem ersten Schiff, Sea Shepherd, die arktische Robbenpopulation vor Wilderern zu schützen. Heute ist Sea Shepherd eine international operierende Organisation, die sich dem Schutz des marinen Lebens verschrieben hat und 20 nationale Verbände umfasst. Manuel Abraas, CEO des deutschen Sea Shepherd e.V., weiß um die wichtige Arbeit der NGO – und wie man auch mit Merch den Meeren helfen kann.

Manuel Abraas
Bei Sea Shepherd denkt man direkt an Captain Paul Watson und seine Mitstreiter:innen, die auf hoher See aktiv bedrohten Meeresbewohnern helfen und sich dabei – unter Inkaufnahme großen persönlichen Risikos – Walfängern, Fischtrawlern und Co. in den Weg stellen. Waren Sie schon selbst bei solchen Missionen dabei?
Manual Abraas: Ich war damals Ende der 1990er Jahre als Teil der Sea Shepherd Crew ein halbes Jahr auf dem offenen Meer unterwegs. Bei „Neptune’s Navy“ aktiv an den Kampagnen zum Meeresschutz mitzumachen und unter unserem Jolly Roger zu segeln ist natürlich der spannendste Part unserer Arbeit. Ich schließe mich gern kürzeren Aktionen an, aber größtenteils besteht mein Alltag heute aus Schreibtischarbeit. Wir haben Sea Shepherd Deutschland 2010 als gemeinnützigen Verein gegründet, um von hier aus Spenden für die wichtigen internationalen Aktionen zu sammeln, haben aber mittlerweile auch ein eigenes Schiff, mit dem wir auf der Ostsee unterwegs sind und dort aktiv Artenschutz betreiben. Die Schreibtischarbeit ist hier essenzieller Teil der Aufgaben, um über Pressekontakte und mit medialer Begleitung auf unsere Aktionen hinzuweisen und so Spenden zu generieren, die einen Großteil unseres Budgets ausmachen.
Sie finanzieren die Arbeit von Sea Shepherd aber auch über Merchandise für den Verein, oder?
Merchandise ist unser zweites Standbein und sichert heute ca. ein Fünftel unserer Einnahmen. Vor ca. zehn Jahren haben wir eigens für den Verkauf der Merchandise-Artikel über unseren Online-Shop eine gemeinnützige GmbH gegründet. Zu der Zeit machten die Einnahmen aus dem Merch-Geschäft teils sogar fast ein Drittel der Gesamtsumme aus.
Inzwischen ist das Verhältnis eher bei eins zu fünf, was aber nicht auf einen Rückgang der Merch-Verkäufe zurückzuführen ist, sondern an einer gestiegenen Spendenbereitschaft liegt. In den letzten Jahren hat sich zudem die mediale Aufmerksamkeit für das Thema Meeresschutz erhöht. Neben großen Debatten über den Klimawandel trugen hier Reality-Formate wie die große Netflix-Doku Seaspiracy aus dem Jahr 2021 über die Ausbeutung der Meere zu einem gestiegenen Bewusstsein und einer größeren Unterstützung unserer Arbeit bei. Insgesamt haben wir ein hohes Spendenniveau erreicht, auch für den deutschen Verein, und können so Aktionen vor Ort unterstützen.
Was unterscheidet Sea Shepherd von anderen NGOs wie Greenpeace und Co.?
Im Gegensatz zu anderen Organisationen fokussieren wir unsere Aktivitäten klar aufs Meer und decken Missstände auf. Die Meere gelten für manche immer noch als rechtsfreier Raum, was aber so nicht stimmt – in manchen Ländern fehlen schlicht die Mittel, um Küsten und Hoheitsgewässer vor illegaler Überfischung und Raubbau zu schützen. Hier kommen wir ins Spiel und sorgen mit einer internationalen Flotte diverser Schiffe dafür, dass geltendes Recht eingehalten und illegale Fischerei gestoppt wird.
Eine Kampagne, die in den letzten Jahren durch deren Erwähnung in Seaspiracy viel Aufmerksamkeit erhalten hat, ist die Aktion gegen illegales Krillfischen in der Antarktis. Viele Leute wissen gar nicht, wie wichtig Krillkrebse als Nahrungsgrundlage für Meerestiere wie z.B. sämtliche Bartenwale sind. Krill wird leider u.a. für fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel genutzt, ist aber essenziell für das Gleichgewicht in den Ozeanen.
Mit der Triton hat Sea Shepherd Deutschland seit 2023 ein eigenes Schiff in der Ostsee positioniert. Allein im ersten Jahr haben wir bereits 10 t Geisternetze eingesammelt, die ebenfalls eine große Bedrohung für Meeresbewohner darstellen, und viele Gesetzesverstöße den Behörden gemeldet.
Wie viele Fans Sea Shepherd mit diesem Einsatz für die Meere über die Jahre gewinnen konnte, zeigt sich u.a. an der Beliebtheit der Merchandise-Artikel – Ihr Logo wird gern in die Welt getragen. Seit wann sind Sie mit Sea Shepherd Deutschland dabei?
Den Merch-Verkauf haben wir 2011 gestartet, damals noch mit Ragewear Berlin als Partner. Womit wir damals nicht gerechnet haben, war die riesige Nachfrage, besonders nach den Hoodies mit unserem Jolly Roger-Motiv. Das hat sehr viele Kapazitäten gebunden, und wir mussten uns letztlich nach einem neuen Partner umsehen, der die großen Bestellmengen handeln und die Lagerhaltung für uns übernehmen konnte. Vor elf Jahren haben wir diesen Partner dann in Brands Fashion gefunden. Sie setzen genau wie wir auf hohe Standards in puncto Nachhaltigkeit und haben unsere Anforderung vollumfänglich erfüllt.
Welche Anforderungen hat Sea Shepherd denn an sein Merchandise?
Nachhaltigkeit ist für uns ein Muss. Von Anfang an haben wir z.B. nur GOTS-zertifizierte Kleidung aus Bio-Baumwolle verkauft, unterhalb des GOTS-Zertifikats zu starten stand für uns außer Frage. Hier ist Brands Fashion sehr gut aufgestellt und hat uns direkt mit entsprechend zertifizierter Ware versorgt.
Manches hat sich aber erst im Laufe der Zusammenarbeit entwickelt. So wollten wir u.a. beim Versand unbedingt auf Polybeutel als Extraverpackung verzichten – man kann schließlich schlecht auf die schrecklichen Folgen von Plastikmüll im Meer aufmerksam machen und dann selbst mit Plastik um sich werfen. Der Versand allein im Karton ohne Beutel als Extraverpackung für Pullis oder Shirts war zu dem Zeitpunkt in der Branche eher unüblich, aber wir konnten es so umsetzen.
Brands Fashion hat uns dafür von Beginn an in der Lagerung und insbesondere in der Vorfinanzierung der Kollektionen unterstützt. Mit zehn Vollzeitmitarbeitenden und 250 freiwilligen Kräften könnten wir einen Merch-Shop dieser Größe nicht allein führen.

Jenseits des Jolly Roger-Motivs findet sich im Merch-Shop bei Sea Shepherd eine breite Auswahl an alternativen Designs wie z.B. die bewusst ungefärbten Pullover der Pure & Salty-Kollektion (l.) oder die auch in leuchtenden Farben wie Coral Sea erhältlichen Be an Activist-Shirts.
Welche Nachhaltigkeitskriterien sind besonders wichtig?
Neben Labeln wie GOTS als Mindeststandard sollten die Artikel vegan sein – wir empfehlen schließlich auch zum besten Schutz der Meere einen Verzicht auf tierische Produkte. Außerdem ist Müllvermeidung für uns ein wichtiges Thema, dem wir u.a. mit Cradle-to-Cradle-Produkten begegnen, was aber nicht immer so leicht umzusetzen ist. Wir bieten C2C-zertifizierte Artikel im Shop, und recycelter Kunststoff z.B. aus Geisternetzen oder ausgedienten PET-Flaschen bietet sich für unsere Merch-Produkte natürlich als ideales Material an, aber man muss immer genau auf die Quelle achten. Nicht jedes als „Ozeanplastik“ angebotene Rezyklat ist tatsächlich nachhaltig.
Darüber hinaus ist uns die Unbedenklichkeit bei den Inhaltsstoffen z.B. im Outdoor-Bereich enorm wichtig. Wir haben schon Outdoor-Jacken extern prüfen lassen, um hier auf Nummer sicher zu gehen. Brands Fashion erweist sich hier immer wieder als idealer Partner, der weitere Zertifikate wie Grüner Knopf ins Feld führt und insbesondere auf Fairtrade-Textilien setzt – ein weiterer entscheidender Aspekt.
Wenn wir über das Verwerten von Geisternetzen sprechen, ist Upcycling ein Thema für Sea Shepherd?
Auf jeden Fall! Wir haben z.B. in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Unternehmen Bridge&Tunnel ausgediente Neoprenanzüge zu Kulturtaschen, Flaschenkühlern u.v.m. umnähen lassen. Die von einer Tauchschule an uns gespendeten Anzüge ließen sich leider nicht mehr auf den Schiffen einsetzen, aber durch das Upcycling haben wir ihnen noch einen sinnvollen Zweitnutzen geben können, und es sind tolle Produkte entstanden. Bei Bridge&Tunnel handelt es sich zudem um ein Social Business, dass gesellschaftlich benachteiligte Frauen und Geflüchtete beschäftigt und auf Upcycling spezialisiert ist.
Auch Artikel, die letzten Endes nicht so gut ankommen und die wir aus dem Sortiment nehmen mussten, können wir noch zu neuen Produkten umschneidern und verwerten. Ab und zu haben wir z.B. Shirts in neuen Farben oder mit anderem Design im Sortiment – da lässt sich nicht immer im Voraus sagen, was gut geht und was im Lager bleibt. Dann wird daraus eben ein Shopper geschneidert. Ein bewusster Umgang mit Ressourcen ist das A und O für uns.

Die Walfluke aus Edelstahl ist als Armband, Ketten- oder Schlüsselanhänger erhältlich und trägt das bekannte Jolly Roger-Logo.
Gäbe es ansonsten Probleme mit Ihren Unterstützer:innen?
Als NGO, die sich weltweit seit Jahrzehnten für den Meeresschutz einsetzt, können wir uns keine Fehltritte mit unserem Merch erlauben. Wir verkaufen Merchandise für den guten Zweck, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Geld für Projekte zu generieren. Die Artikel müssen zu unserem Denken passen und dürfen niemals selbst zum Problem werden – Dinge, die schaden, wären eine Katastrophe, auch für unser Image. Da verzichten wir lieber auf den Umsatz, um alles richtig zu machen.
Wir haben es hier mit einer sehr aktiven, bewusst agierenden Zielgruppe zu tun, die uns regelmäßig über unseren Shop Feedback zukommen lässt und uns so in unserer Arbeit und in der Weiterentwicklung der Produkte unterstützt – das ist großartig. Durch die Rückmeldungen aus der Community entstehen Ideen für Neues, und wir können bei negativem Feedback direkt reagieren. So haben wir z.B. erst jüngst nach Kritik aus der Community unsere Jolly Roger-Bootsflaggen aus dem Sortiment genommen, weil sie nicht ganz koscher waren. Dank regem Austausch mit unseren Unterstützer:innen bleiben wir stets wachsam.
Gibt es Kritikpunkte seitens der Community, die Sie nicht ändern können?
Eine Sache, die ab und zu bemängelt wird, ist die Preisgestaltung. Unser Merch ist im Laufe der Jahre teurer geworden: Früher kostete unsere klassische schwarze Sweatjacke mit Jolly Roger-Aufdruck 39 Euro, heute müssen wir die Jacke für 65 Euro anbieten. Das ist leider nicht für alle Unterstützer:innen erschwinglich, aber Nachhaltigkeit kostet. Billiganbieter sorgen mit ihrer fatalen Preispolitik dafür, dass wir völlig unrealistische Summen für Bekleidung gewohnt sind, aber wenn man ein Shirt oder eine Tasche wirklich umweltfreundlich und fair produzieren möchte, dann hat das seinen Preis. Da wir anfangs zu wenig Marge für unsere Projekte eingeplant haben und die Textilproduktion in den letzten Jahren schlicht teurer geworden ist, müssen wir leider inzwischen andere Preise aufrufen.
Immerhin haben wir durch das Feedback erfahren, dass unsere Produkte sehr lange halten und die Käufer:innen teils schon viele Jahre begleiten. Wir stehen klar für Slow Fashion! Das bedeutet: Der Hoodie kostet seinen Preis, aber man wird jahrelang Freude daran haben.
Ein Artikel, den wir allerdings bewusst wieder preislich etwas reduziert haben, ist das Paar Outdoor-Sneakers von Veja, weil Sneakers für über 200 Euro doch zu hochpreisig waren. Mit dem reduzierten Preis erfüllen wir hier eher die Erwartungen der Community und können einen rundum umweltbewussten und fair produzierten Schuh aus einer tollen Kooperation anbieten.
Die Schuhe entstanden also in Zusammenarbeit mit einem Drittanbieter?
Ja, wir arbeiten zwar in puncto Merch komplett mit Brands Fashion zusammen, bieten aber auch ein paar Artikel an, die andere Lieferanten produzieren und die Brands Fashion mitlagert und abwickelt. Darunter u.a. der Schmuckanhänger in Form einer Walfluke oder der Taschenaschenbecher aus recyceltem Kunststoff und gesammelten und recycelten Kippenresten.
Die Zusammenarbeit mit Veja und Sea Shepherd Global ist eine schöne Story: Veja ist eine Initiative, die aus nachhaltigem Kautschuk und Bio-Baumwolle Sneakers in Brasilien und Portugal produziert. Zwei Mitarbeitende von Veja haben sich vor ein paar Jahren der Sea Shepherd-Crew angeschlossen und an einem Einsatz vor der französischen Küste teilgenommen. Daraus entstand die Idee, gemeinsam ein Paar Outdoor-Schuhe zu entwerfen, Modell Fitz Roy. Die Sneakers sind fair hergestellt, besonders robust und natürlich wasserabweisend und passen so perfekt zu uns.

Dank Upcycling von gebrauchten Neoprenanzügen entstehen in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Label Bridge&Tunnel stylishe, handgefertigte Unikate wie u.a. die praktischen Flaschenkühler Stubby Cooler. Der Taschenaschenbecher wird in Kooperation mit dem Ludwigsburger Unternehmen TobaCircle aus recyceltem Kunststoff, teils auch aus Ozeanplastik, sowie aus recycelten Zigarettenkippen gefertigt.
Gibt es auch Merch zu einzelnen Kampagnen und Aktionen von Sea Shepherd?
Es gibt immer wieder bestimmte Aktionen, die wir gezielt mit Merch bewerben und unterstützen. So planen wir für unsere Marine Meadows-Kampagne einen praktischen, wärmenden Poncho für Taucher, den man nach dem Tauchgang schnell überwerfen kann. Bei der Kampagne pflanzen wir in Zusammenarbeit mit dem Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und ausgebildeten Freiwilligen Seegraswiesen in der Ostsee – eine wichtige Bereicherung für das Ökosystem, weil Seegras hervorragend CO2 speichert, die Küsten vor Erosion schützen kann und die Biodiversität fördert. Dafür sind Tauchgänge notwendig, um das Seegras in Tiefen bis 8 m in den Meeresboden zu pflanzen, daher ist ein Produkt speziell für Taucher hier ideal.
Insgesamt setzen wir aber inzwischen eher auf den Entwurf ganzer Kollektionen in einem Design, wie Be an Activist, Ebb & Flow oder Pure & Salty. Hier gibt es alles von einfachen grafischen Schriftzügen bis hin zu diversen Meerestiermotiven.
Wie wählen Sie die Produktdesigns aus, und warum gibt es überhaupt Motive jenseits des Jolly Roger?
Das erste Sea Shepherd-Motiv, die beiden Buckelwale, gibt es seit 1977, unseren Jolly Roger seit Anfang der 1990er Jahre. Beide Motive auf schwarzem Grund haben natürlich den höchsten Wiedererkennungswert und entsprechend gebrandete Hoodies oder Shirts gehören konstant zu unseren Bestsellern. Damit setzt man ein klares, von Weitem erkennbares Statement. Bei den Kollektionen achten wir allerdings auf alternative Gestaltungen, denn für manche eckt der Totenkopf zu sehr an. Klar, das können wir, wenn wir z.B. auf Events vertreten sind, immer gut live am Stand begründen – wir segeln nun mal mit Neptune’s Navy und haben den Dreizack und den Schäferstab als Hüter der Meere im Logo. Aber für alle, die dezenter oder mit einem anderen maritimen Motiv auftreten und uns trotzdem unterstützen möchten, können wir andere Designs bieten.
Ab und zu erreicht uns eine Nachfrage von Unterstützer:innen nach einer größeren Farbpalette, oder wir lassen bewusst die Farben weg wie bei unserer Undyed-Kollektion Pure & Salty, für die wir nur ungefärbte, naturbelassene Bio-Baumwolle verwenden, was nochmal besonders ressourcenschonend ist.

Sea Shepherd steht für rundum nachhaltiges Merch – bis hin zu den Accessoires wie der aus Fairtrade-zertifizierter Bio-Baumwolle hergestellten Canvas-Bag oder den Sneakers Fitz Roy, fair und umweltfreundlich produziert vom brasilianischen Label Veja.
Und was ist für die Zukunft geplant?
Wir arbeiten an einer neuen Kollektion mit Brands Fashion unter Verwendung von Stoffresten aus der Textilproduktion, um Müllberge zu vermeiden und daraus Schönes und Nützliches für unseren Shop umzusetzen. Währenddessen ist eines unserer neuesten Schiffe, die Allankay, unterwegs ins Südpolarmeer, um dort weiter gegen die illegale Krillfischerei vorzugehen, und mit der Triton werden wir unsere Aktionen in der Ostsee weiter fortsetzen. Es gibt noch viel zu tun.
// Mit Manuel Abraas sprach Claudia Pfeifer.
Bildquelle: Sea Shepherd Deutschland