Vintage, Secondhand, Retro – Kleidung, die einst als alt und aussortiert galt, ist heute angesagter als jede Fast-Fashion-Ware. DIY und Upcycling stehen im Kontrast zur Einwegkultur und setzen ein Zeichen für Nachhaltigkeit. In genau diesem Kontext beginnt die Geschichte von Moot.
Für viele Menschen ist Kleidung nach wie vor ein Wegwerfprodukt. Günstig produziert, verschleißt sie schnell und landet bald in Altkleidersammlungen oder im Müll. Während seiner Ausbildung zum Modedesigner bemerkte Nils Neubauer dieses grundlegende Problem der Modeindustrie und stellte sich die grundlegende Frage, ob er Teil der Fast-Fashion-Wegwerfindustrie werden und damit eine Haltung unterstützen wolle, die so ziemlich das komplette Gegenteil zu jeglichen Nachhaltigkeitsbemühungen ist. Aus ethischen Gründen war das für ihn keine Option.
Er teilte seine Bedenken mit seinem besten Freund, dem BWL-Studenten Michael Pfeifer, und erzählte ihm von seiner Idee, Kleidung aus bereits bestehenden Textilien herzustellen, um der schnelllebigen Modeindustrie entgegenzuwirken. „Gemeinsam haben wir das ein bisschen ausdiskutiert und durchstrukturiert. Ich habe einen klassischen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, damit lässt sich das Ganze gut ergänzen“, erzählt Mitbegründer Pfeifer.
Während Neubauer sich mit den ersten ausgedienten Textilien an die Nähmaschine setzte, hantierte Pfeifer am Computer mit Zahlen und erstellte ein erstes Konzept. Der Ansatz klingt so simpel wie einleuchtend: Aus ausgedienten Textilien wie Bettwäsche, Fleecekleidung oder Lederwaren sollten neue Kleidungsstücke entstehen. Die Idee zu Moot war geboren, der Name ist ein Akronym für die Herangehensweise: „made out of trash“. Das Besondere daran ist, dass ausschließlich mit ausgedienten Materialien gearbeitet wird. Das zahlt nicht nur auf den Upcycling-Gedanken ein, sondern sorgt auch dafür, dass jedes einzelne Kleidungsstück im Moot-Sortiment ein echtes Unikat ist – Fashion für Individualisten.
Wachstum in Krisenzeiten
2020 gründeten Neubauer und Pfeifer das Unternehmen als GbR, das 2022 in eine GmbH umgewandelt wurde. Doch die Corona-Pandemie stellte die Jungunternehmer vor erste Herausforderungen. Pfeifer erinnert sich: „Ganz zu Beginn hatten wir nur mit der Berliner Stadtmission als Lieferanten zusammengearbeitet. Die sagten dann aber logischerweise zu Beginn der Pandemie: ‚Jungs, das ist eine schöne Idee, die ihr da habt, aber wir haben gerade andere Themen.‘ Das war für uns natürlich unglücklich, weil wir ein Unternehmen gestartet hatten und ohne Lieferanten von Rohmaterialien dastanden.“ Trotz dieser anfänglichen Schwierigkeiten hat Moot sich stetig weiterentwickelt.
Heute arbeiten insgesamt 14 Menschen für Moot, und die Berliner Stadtmission macht nur noch einen geringen Teil der Textillieferung aus, der Großteil kommt von deutschen Textilsortierungen. 90% der Moot-Pieces werden in Berlin genäht, die restlichen 10% entstehen in einer polnischen Näherei.
Das Berliner Unternehmen ist inzwischen in zwei Bereichen tätig: Im B2C-Geschäft können Kunden über den Webshop oder im Laden in Berlin upgecycelte Produkte kaufen. Im B2B-Bereich arbeitet Moot mit Unternehmen zusammen, um aus alten Textilien und Verpackungsmaterialien neue Produkte zu schaffen. Kooperationen mit der Deutschen Bahn, Katjes und anderen namhaften oder auch unbekannten Marken zeigen das Potenzial dieses Ansatzes. Pfeifer erklärt: „90% unserer B2C-Verkäufe wickeln wir über den Online-Shop ab. Wir merken, dass v.a. Unternehmenskooperationen die großen Wachstumstreiber sind. Diese wollen wir auch weiter ausbauen, weshalb wir unser Ladengeschäft zeitnah einstellen werden. Gerade der Bereich Werbeartikel hat uns große Wachstumsschübe beschert. Aktuell setzen wir eine Kooperation mit einem großen Unternehmen um, die meines Wissens nach die größte Upcycling-Kooperation ist, die es je in Deutschland gab.“
Bei der Kooperation mit Katjes bestand die Idee darin, aussortiertes Verpackungsmaterial der Katjes-Süßwaren für Upcycling-Projekte zu nutzen und zu neuen Produkten umzuarbeiten. Die bereits produzierten Folien der süßen Grün-Ohr Hasen wurden dabei nicht erst zerlegt und neu zusammengesetzt, sondern direkt von Moot weiterverarbeitet, um Energie und Produktionsschritte einzusparen. So entstanden Kosmetiktäschchen im Grün-Ohr-Hasen-Look. Die kleinen Taschen verfügen über einen Reißverschluss und sind wasserabweisend, erfüllen also alle Ansprüche an eine Kosmetiktasche.
Trotz des Wachstums ist das wirtschaftliche Umfeld herausfordernd. Pfeifer beschreibt die aktuelle Situation: „Krisen wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten machen sich für uns deutlich bemerkbar, wir registrieren eine gedankliche De-Priorisierung der Menschen, was Nachhaltigkeit angeht.“ In der Gesellschaft stünden Bedürfnisse wie Sicherheit und Stabilität ganz oben, die Nachhaltigkeit sei da ein wenig in den Hintergrund gerückt.
Bei Moot gehe es aber primär um Ressourceneffizienz – also wie können wir als Gesellschaft Dinge besser machen und leichter nutzen? „Mein Shirt zum Beispiel ist aus Bettwäsche gefertigt, meine Bauchtasche aus einer alten Lederjacke. Da schwingt ja schon latent die Frage mit, was denn überhaupt Abfall ist und was sich als Wertstoff für Neues eignet“, so Pfeifer weiter. „Wir wollen das Thema Upcycling mehr in die Mitte der Gesellschaft bringen – Secondhand war vor 10 Jahren noch verpönt und galt als schambehaftet, heute ist es alltäglich und beliebter Lifestyle. Das wollen wir mit Moot und dem Thema Upcycling auch schaffen.“
// Mika Gehlen
Bildquelle: Moot