Sie sind fröhlich, bunt und oft vermenschlichte Tiergestalten. Neben Figuren wie Tony dem Tiger, dem Obi-Biber und dem Feuersalamander Lurchi gibt es aber auch berühmte menschenähnliche Werbehelden wie Ronald McDonald, Mr. P oder die Mainzelmännchen. Maskottchen sind in der Werbewelt allgegenwärtig. Aber was macht sie so besonders? Und wie und warum kommen sie überhaupt als haptische Markenbotschafter zum Einsatz?
Das HAPTICA® Magazin hat sich umgeschaut und Experten:innen befragt, die Maskottchen einsetzen, designen und als Plüschfigur produzieren.
Ikonische Maskottchen prägen die Wahrnehmung von Marken. Dabei verschmelzen sie nicht selten mit dem Logo, vor allem wenn sie sich seit langer Zeit etabliert haben.
Bibendum, der sogenannte Michelin-Mann, der 1898 als anthropomorpher Reifenstapel Glas und Nägel verschlang, war so erfolgreich, dass er nicht nur im berühmten Michelin-Reiseführer und zahlreichen anderen Werbeartikeln auftauchte, sondern dauerhaft in das Logo des französischen Reifenherstellers integriert wurde. Da überrascht es nicht, dass der Michelin-Mann, laut Unternehmensangaben, im Jahr 2000 von einer Jury der Financial Times zum besten Logo aller Zeiten gekürt und 2018 auf der New York Advertising Week als „Icon of the Millennium“ ausgezeichnet.
Dass ein Maskottchen Teil des Logos wird, gilt auch für den 1. FC Köln, der sein Geißbock-Maskottchen Hennes im Vereinswappen verewigte. Dass es auch andersrum funktioniert, zeigt das Beispiel Vaillant. Der Remscheider Hersteller von Heiz-, Lüftungs- und Klimatechnik, verwendet seit 1899 das Logo eines aus dem Ei schlüpfenden Osterhasen. Mittlerweile ist der Vaillant-Hase nicht nur aus dem Ei, sondern auch aus dem Logo herausgetreten. Als Maskottchen führt der Vaillant-Hase z.B. auf der Website durch die Unternehmensgeschichte und wird auch in die haptische Werbung des Unternehmens eingebunden.
Die Beispiele Michelin und Vaillant zeigen, wie alt die Idee eines Maskottchens ist. Tatsächlich knüpft das Marketing des 19. Jahrhunderts mit Logos und Maskottchen an die Idee von Wappen an, die traditionell als Erkennungszeichen dienen und häufig Tiere oder Fabelwesen zeigen.
Auch wenn Maskottchen aus Logos hervorgehen oder Logos Maskottchen miteinbeziehen können, muss man sich bewusst machen, dass Maskottchen mehr bzw. etwas anderes sind als Logos – sie sind Figuren, die Marken ein Gesicht geben und sie mit Leben füllen, wie Falco Stienen, Vice President Brand Communication bei der Baumarktkette Obi, feststellt: „Maskottchen erwecken eine Marke zum Leben, machen sie real erlebbar. Das gilt für digitale Kanäle wie etwa Social Media oder klassische Werbeformate wie TV oder Out-of-Home, aber ganz besonders auch für das ‚echte Leben‘.“ Obi hat sich bereits in der Gründungsphase des Unternehmens den Biber als Maskottchen erkoren. Doch auch Unternehmen, die jahrzehntelang gut ohne ausgekommen sind, entscheiden sich manchmal dafür ein Maskottchen einzuführen, um ihre Markenwahrnehmung zu steigern.
Identifikationsfiguren
Robin de Cleur, Kommunikationsdirektor der Spiel Essen, erklärt, warum die Weltleitmesse für Gesellschaftsspiele seit letztem Jahr das Kätzchen Meeps als Maskottchen hat: „Zum 40-jährigen Jubiläum hatten wir überlegt, wie wir die Spiel in der Breite bekannter machen und mehr emotionalisieren können. Ein Logo ist super, aber es ist nichts zum Anfassen, nichts zum Fühlen. Ein Maskottchen, gerade wenn es niedlich und süß ist, erzeugt ganz andere Emotionen. Das ist der Riesenvorteil eines Maskottchens: Es ist eine Figur, mit der man sich identifizieren kann.“
De Cleur führt hier zwei Punkte an, die immer wieder als Vorteile von Maskottchen ausgemacht werden: Identifikation und Emotionen. Josephine Dransfeld, Co-Geschäftsführerin der Plüschspielwarenfabrik Heunec, die die Plüschumsetzung von Meeps produziert, weiß: „Ein Maskottchen ist ein Sympathieträger und eine Identifikationsfigur. Ein gut gemachtes Maskottchen sorgt dafür, dass ein Unternehmen sofort über die Figur identifiziert werden kann. Es macht eine Marke greifbarer.“ Für Sven Hilnhagen, Head of Design beim Hersteller von Textil- und Plüschcharakteren Belly Design, schafft eine solche Figur deswegen Verbindungen: „Ein Maskottchen stellt immer eine emotionale Brücke dar zwischen dem Unternehmen und dem Kunden. Das Gefühl spielt hierbei die wesentliche Rolle.“ Einerseits haben wir also die Identifikation der Kund:innen mit dem Maskottchen, die eine emotionale Verbindung zur Marke schafft. Andererseits hilft die Identifikation einer Marke mit dem Maskottchen bei der Wiedererkennung einer Marke und wird Teil der Corporate Identity.
„Der Biber gehört wie die Farbe Orange seit den Anfangstagen fest zur Marke Obi“, erklärt Stienen. „Er ist ein absoluter Sympathieträger, etwa als Walking Act bei Markteröffnungen, vermittelt unsere positiven Werte und macht Obi zu einer Marke für die ganze Familie.“
Zielgruppenaktivierung
Wie man mit einem Maskottchen Kunden motivieren kann, sich intensiver mit der Marke zu beschäftigen, haben de Cleur und sein Team für die Marke Spiel eindrucksvoll unter Beweis gestellt. So ließen sie im ersten Schritt die Community in den Sozialen Netzwerken über den Namen des verspielten Kätzchens abstimmen ließen. Auf der Veranstaltung selbst konnten die Besucher:innen, dann Meeps-Minifigürchen bemalen. Laut de Cleur war die Bemal-Aktion ein Riesenerfolg: „Das hat uns gezeigt, dass es funktioniert und die Menschen gern ein haptisches Stück Spiel als physische Erinnerung mit nach Hause nehmen.“ Das Potenzial eines Maskottchens, die Zielgruppe zu involvieren und zu aktivieren, möchte die Spiel in Essen dieses Jahr noch anderweitig ausnutzen: „Es wird auch einen Meeps-Walking Act geben, mit dem man zusammen coole Posen einnehmen und sich fotografieren lassen kann.“
Dass das funktioniert, zeigen die Erfahrungen mit dem Obi-Biber, die Stienen beschreibt: „Nicht nur Kinder, wie man vielleicht annehmen sollte sondern auch Erwachsene zieht unser stärkster Ambassador magisch an – es gibt kaum eine Veranstaltung, auf der nicht unzählige Selfies mit unserem Biber entstünden, die Erwachsene für sich selbst machen oder über Social Media teilen.“ Der Marketingexperte zieht daraus den Schluss: „Das ist ein direkter Pay-off für die Marke Obi: Der Biber schafft eine aufmerksamkeitsstarke, positive Verlängerung aus dem echten Leben in die digitale Welt.“
Als Stofftier gibt es den klassischen Obi-Biber das ganze Jahr über als Mitnahmeartikel im Kassenbereich der Baumarktfilialen. Besondere Varianten werden anlassbezogen angeboten, z.B. ein Fußballbiber zur Europameisterschaft oder ein saisonaler Weihnachtsbiber.
Auch auf der Spielemesse in Essen wird es 2024 erstmals auch ein Plüsch-Meeps als Merchandising-Artikel geben. „Das Plüschtier bietet eine Chance, die Emotionalität der Messe als Erinnerung zum Anfassen mit nach Hause zu nehmen. Meeps spielt eine große Rolle, um die Messe über den reinen Messezeitraum hinaus emotional lebendig zu halten“, so de Cleur. Aber auch andere Produkte aus der Merchkollektion geben dem neuen Markenbotschafter eine Bühne: „Zusammen mit Skellig Games bringen wir mit Loot das Spiel zur Spiel heraus, und dort wird Meeps eine tragende Rolle in der grafischen Gestaltung spielen. Sehr stark nachgefragt sind praktische Gegenstände wie Tassen, Taschen, Mousepads, Würfelschalen, Schlüsselanhänger, und was in diesem Bereich immer beliebt ist, sind T-Shirts mit verschiedenen Motiven. Ein Motiv zeigt, wie Meeps mit unserem Logo spielt wie mit einem Wollknäuel. Wir haben also auch Möglichkeiten für interessante Interaktionen zwischen Maskottchen und Logo.“
Bei Obi setzt man ebenfalls über die Plüschfigur hinaus auf das Maskottchen: „Im letzten Jahr haben wir im Rahmen unserer Biber Bonus Wochen erstmals eine Gartensafari mit Suchheften, Ausmalseiten und Stickern für Kinder ausprobiert, bei denen der Biber natürlich auch im Zentrum stand.“
Eine Marke erwacht zum Leben
Wenn eine Marke noch kein Maskottchen hat, braucht es einen Charakterdesigner wie Hilnhagen, der ein passendes Wesen entwirft: „Wir fragen die Kunden: Wer ist die Zielgruppe? Wo soll das Maskottchen auftreten? Was soll kommuniziert werden? Wir wollen wissen, was die Kernbotschaft und die Werte des Unternehmens sind und filtern dann eine Persönlichkeit heraus. Dann versuchen wir Wesen und Kreaturen zu finden, die dazu passen. Dazu gibt es auch Hilfsmittel wie z.B. das Archetypenrad, das eigentlich aus der Psychologie kommt. Da kann man schauen, wo sich das Unternehmen sieht. Geht es um einen Krafttyp, Gewinnertyp, Weisheitstyp usw.? Wenn das Tier feststeht, werden zwei bis drei alternative Entwürfe vorgelegt, aus denen sich der Kunde dann einen aussucht, an dem dann weitergearbeitet wird.“
Für Obi war der Biber ein naheliegendes Maskottchen, wie Stienen findet: „Als Baumeister ist er ein echter DIY-Profi und passt perfekt zu dem, was Obi schon damals und auch heute noch repräsentiert.“
Die Spiel Essen hat bei der Charakterentwicklung des Maskottchens mit dem bekannten Spieleautor und -illustrator Michael Menzel zusammengearbeitet: „Michael hat vier verschiedene Tiere vorgeschlagen, die alle auf eine gewisse Art und Weise zum Thema Spiele passen. Den Fuchs wegen der Cleverness und einen Adler für die Scharfsinnigkeit, aber eben auch ein Kätzchen. Jeder, der Katzen kennt, weiß, dass sie gerne spielen. Katzen lieben auch Spielekartons und legen sich da unglaublich gerne rein. Sie sind Tiere, die zum Thema Spielen passen, und wir fanden die Verbindung von Verspieltheit und Niedlichkeit eine hervorragende Idee. Aber wir wollten, dass unser Maskottchen zwar niedlich ist, aber nicht zu süß.“ Daher ist ein vorstehender Zahn nun ein Charakteristikum von Meeps.
Solche Details sind enorm wichtig. „Der Gesichtsausdruck ist die halbe Miete“, meint Hilnhagen. „Die Stellung von Augen, Nase, Mund aber auch von Kopf zu Körper ist wichtig. Ein Maskottchen soll authentisch und ansprechend sein. Aber wir müssen schauen, dass es so umgesetzt wird, wie es dem Kunden gefällt.“
Plüschhelden
Wenn aus dem zweidimensionalen Charakterdesign eine kuschelige Stofffigur entstehen soll, stellen sich neue Herausforderungen. Hilnhagen hat das von Anfang an im Blick: „Bereits beim Charakterdesign achten wir darauf, dass die Figur gut als Plüsch umzusetzen ist. Aber oft kommen Kunden mit schon bestehenden Maskottchen zu uns. Teilweise müssen dann Körperproportionen verändert werden, damit es bei der Umsetzung gut aussieht. Ein Problem ist es auch, wenn in der Zeichnung Arme und Beine nicht mit dem Körper verbunden sind oder die Gliedmaßen sehr dünn sind. Das kann man dann nicht immer genau so umsetzen, und man muss kreative Lösungen finden, z. B. dass die Füße und Hände mit dünnen Kordeln mit dem Körper verbunden werden.“
Auch Dransfeld von Heunec, die u.a. Meeps und den DFB-Adler Paule umgesetzt haben, beschreibt die Schwierigkeiten bei der Umsetzung einer grafischen Figur in eine dreidimensionale Gestalt: „Details, die eine Zeichnung vielleicht hat, sind nicht umsetzbar. Das ist oft erklärungsbedürftig. Der Bausparfuchs von Schwäbisch Hall z.B. hat eigentlich eine schwarze Brille, das Kuscheltier aber nicht. Der Grund dafür ist, dass die gesetzliche Regelung für Spielzeug verbietet, ein Plüschtier mit einer Brille aus hartem Kunststoff auszustatten, weil sich Kinder daran verletzen könnten. Das beeinflusst die Gestaltung. Man könnte die Brille sticken oder drucken oder aus Filz machen, aber das sieht oft nicht mehr so schön aus. Kopfhörer z.B. sehen meistens eher aus wie Ohrenwärmer. Ein Maskottchen sollte also nicht zu viele Accessoires haben. Auch außergewöhnliche Muster verkomplizieren ein Produkt, weil Material dann eigens angefertigt werden muss.“
Wenn ein Unternehmen ein Maskottchen als Plüschfigur umsetzen will, empfiehlt Dransfeld auch, sich im Vorfeld Gedanken zu Budget und Zeitplan zu machen: „Es ist sehr schade, wenn man den Zuschlag für ein Projekt erhält, man ein Muster baut, das toll aussieht, und dann scheitert es am Budget. Daher ist es wichtig, dass sich die Marken schon vorher eine grobe Idee überlegen und einen Budgetrahmen festlegen. Und man sollte viel Zeit und Geduld mitbringen. Es dauert erfahrungsgemäß ca. sechs bis acht Monate, bis man einen zufriedenstellenden Prototyp hat, und dann kommen noch mal drei bis vier Monate Produktionszeit dazu.“
Ein Jahr kann also schnell ins Land ziehen, bis man sein Maskottchen als plüschige Sonderanfertigung in der Hand hält. Allerdings entfalten Maskottchen nicht nur als Plüschfiguren oder Walking-Acts ihre Wirkung. Da ein Maskottchen zunächst ein Element der graphischen Kommunikation ist, lässt sich sein Antlitz auf alle möglichen Werbeartikel drucken und wird auch dort als sympathischer Markenbotschafter dabei helfen, die Zielgruppe anzusprechen und zu aktivieren.
//Andreas J. Haller
Bildquellen: Belly Design (2); Obi (1); Shutterstock.com/Freer (1); shutterstock.com/Sarunyu (1); Sigikid (1); Spiel Essen (5); Steiff (1); unsplash.com (1); Vaillant (3)